"Ich bin eine Weberin. Es ist mehr als ein Job - es ist das, was ich bin. Ich liebe den künstlerischen Teil der Arbeit. Die Farben, die Präzision, das Zusammenfügen der Fäden, um ein Muster zu schaffen. Ich habe das Weben direkt nach der Schule in einem speziellen Ausbildungszentrum gelernt. Aber damals konnte ich keine gute Arbeit als Weberin finden, also habe ich etwas Geld mit Feldarbeit verdient, mit Baumwolle pflücken, Sojabohnen säen und so weiter.
Vor zwölf Jahren habe ich hier endlich eine gute Arbeit gefunden. Anfangs stellte ich nur die Fäden her, die meine Kollegen benutzten, aber bald schon kam ich zum Weben.
Wir arbeiten nur mit Biobaumwolle, und die Farben stammen aus natürlichen Färbemitteln - man spürt sie, und sie sind gut für die Haut. Daher macht es mir wirklich Spass, was wir hier schaffen. Und natürlich wird alles von Hand gemacht, wir benutzen Handwebstühle statt grosser Maschinen. Man merkt den Unterschied: Die Stoffe, die wir von Hand weben, sind viel robuster und auch teurer. Aber ich glaube, die Leute da draussen schätzen unsere Produkte. Die meisten unserer Schals, Teppiche und Stoffe, die wir herstellen, werden in Delhi und der Schweiz verkauft. Zu Beginn der Covid-Krise war das schwierig, weil die Grossaufträge zurückgingen. Aber jetzt sind wir schon viel entspannter. Und ich bin glücklich hier; es ist ein kleiner Ort und unsere Arbeitsatmosphäre ist wirklich nett, wir können lernen und neue Dinge ausprobieren.
Das mache ich am liebsten: neue Muster lernen. Vor kurzem haben wir ein neues Muster bekommen. Ich versuche, dieses neue Design mit Gold und Blumen zu lernen. Normalerweise können wir etwa 8 Meter pro Tag weben, aber je komplexer ein Muster ist, desto länger dauert es natürlich. Aber Kunst braucht Zeit.
Im Grunde meines Herzens bin ich eine Künstlerin. Als ich jünger war, habe ich auch viel getanzt. Es ist ein besonderer traditioneller Tanz hier aus der Region, der Nimar-Tanz. Es ist ein Gruppentanz, und wir hatten viele Auftritte. Ich habe das auch an meine beiden Kinder weitergegeben. Sie sind sogar schon in Europa aufgetreten! Mein Mann unterstützt sie, genauso wie er mich unterstützt hat, als ich getanzt habe, und er lässt mir alle Freiheiten. Ich weiss das sehr zu schätzen, denn das ist nicht selbstverständlich.
Wer weiss, vielleicht werde ich eines Tages in der Lage sein, meine eigene kleine Marke zu gründen. Mit der Unterstützung meiner Familie könnte ich einen Handwebstuhl kaufen und anfangen, zu Hause Schals zu produzieren. Denn wenn man den Willen, den starken Wunsch im Herzen hat, etwas zu tun, dann sollte man es auch tun. Niemand kann dich aufhalten."
Subhadra Fagna ist 35 Jahre alt, lebt in Mandleshwar und arbeitet bei der Aavran Handloom Society.
fibl.org: Faces of Organic Cotton