"Kurz bevor ich heiratete, bekam ich diese Tattoos auf meine Hände und mein Gesicht. Je nachdem, woher man kommt, erhält man unterschiedliche Tattoos. Auf diese Weise konnte man nie verloren gehen. Aber heutzutage macht man das nicht mehr. Vieles hat sich geändert.
Als ich aufwuchs, lebte ich in einem Dorf etwa zehn Kilometer von hier, aber als ich heiratete, zog ich mit meinem Mann hierher. Ich bin seit mehr als 30 Jahren mit meinem Mann verheiratet. Ich bin nie zur Schule gegangen, und er auch nicht. Damals waren diese Dinge nicht wichtig. Zusammen haben wir drei Söhne und zwei Töchter. Die beiden Töchter sind verheiratet und leben bei ihren Ehemännern. Unsere Söhne leben mit ihren Frauen und Kindern hier bei mir. Zusammen mit den Brüdern meines Mannes und deren Frauen sind wir jetzt eine 20-köpfige Familie in unserem Haus.
Seit dem Tod meines Mannes bin ich die Älteste in unserer Familie. Daher treffe ich alle wichtigen Entscheidungen für unsere Familie. Meine Kinder und Enkelkinder ziehen mich bei allen Entscheidungen zu Rate, die in unserem Haushalt und auf unserem Hof getroffen werden müssen - sei es, welche Pflanzen wir in dieser Saison aussäen, wofür wir das Geld ausgeben, das wir in der Landwirtschaft verdienen, oder ob wir einen neuen Fernseher kaufen. Ich arbeite nicht mehr direkt auf dem Hof, dafür bin ich inzwischen zu alt. Aber ich gehe immer noch jeden Tag auf das Feld und kontrolliere, ob die Pflanzen gesund sind.
Ich gehöre auch zu einer Gruppe von Frauen, die sich regelmässig trifft und biologische Betriebsmittel für den Hof zubereitet. Einige Aufgaben in der Landwirtschaft sind Frauenarbeit, andere sind Männerarbeit. Die Frauen übernehmen die Aussaat, das Unkrautjäten und das Pflücken der Baumwolle, während die Männer mit den Tieren arbeiten und den Boden pflügen.
Insgesamt haben wir 25 Hektar Land. Früher hatten wir mehr Land, aber das ist jetzt wegen des Staudamms, der hier in der Gegend gebaut wurde, weg. Wir bekamen dafür eine Entschädigung von der Regierung, aber noch wichtiger ist, dass wir wegen des Dammes einige Bewässerungsanlagen auf unserem Hof gebaut haben. Auf diese Weise können wir auch in der Trockenzeit mehr Getreide anbauen. Die Hälfte der Ernte, die wir anbauen, verwenden wir für den Eigenbedarf, die andere Hälfte verkaufen wir. Von dem Geld, das wir mit der Landwirtschaft verdienen, schicken wir einen Teil an meine Enkelkinder, die zum Studieren in grössere Städte gegangen sind. Ich hoffe, dass sie, wenn sie mit dem Studium fertig sind und einen guten Job haben, Geld nach Hause schicken können, damit wir unser Haus renovieren oder sogar ein Auto kaufen können. Ich bin froh, dass sie studieren, denn diese Dinge sind jetzt wichtig.
Aber ich bin auch sehr stolz darauf, dass einer meiner Enkel die Landwirtschaft weiterführen wird. Denn wir haben hier unser Land und betreiben seit 25 Jahren biologischen Landbau. Das ist unsere Heimat. Einige Dinge haben sich nicht geändert – und werden sich auch nicht ändern."
Ajodhya Bai ist 55 Jahre alt und lebt in Kakwada. Seit 2004 ist sie als Biobäuerin bei Remei India Ltd. registriert.
fibl.org: Faces of Organic Cotton