Auf dieser Seite finden Sie die wichtigsten Hintergrundinformationen zur FSA-Studie: Links zu den Originaldokumenten, die wichtigsten Kritikpunkte, relevante Informationen des EU-QLIF-Projekts sowie Stellungnahmen. (Siehe auch: FiBL.org: Studien stellen unter Beweis: Bioprodukte sind ernährungsphysiologisch besser)
Im Juli 2009 publizierte die englische Food Standard Agency (FSA) die Ergebnisse einer Literaturstudie zur Qualität von biologischen Lebensmitteln. Durchgeführt hat die Studie im Auftrag ein Wissenschaftler-Team der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM). Die FSA ist eine unabhängige, vom englischen Staat finanzierte Agentur. Die Ergenisse wurden auch im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht.
Im Zentrum der FSA-Studie standen zwei Fragen:
Zur Beantwortung der beiden Fragen analysierte die LSHTM alle wissenschaftlichen Untersuchungen, welche weltweit zwischen 1958 und 2008 publiziert worden waren. Aufgrund der analysierten wissenschaftlichen Literatur kam die FSA zum Schluss, dass keine relevanten Unterschiede in der Nährstoffzusammensetzung zwischen konventionellen und biologischen Lebensmitteln bestehen, und dass der Konsum von biologischen Lebensmitteln keinen Einfluss auf die Gesundheit des Menschen hat.
Die Studie hat im Sommer 2009 viele Reaktionen ausgelöst.
Die Literaturstudie der FSA weist zahlreiche Fehler auf, die deren Aussagen unglaubwürdig machen. In vielen Fällen muss auf die Originalstudien zurückgegriffen werden, um den irreführenden Umgang mit den Ergebnissen zu klären. Trotz der zahlreichen Mängel verteidigte der CEO der FSA, Tim Smith, am 7. August 2009 die Aussagen der Studie.
Sich gesund zu ernähren bedeutet, viel Obst und Gemüse zu essen, den Konsum von Fleisch und Milchprodukten auf ein vernünftiges Mass zu reduzieren, statt Fertigprodukte bevorzugt frisch zubereitete Speisen zu essen und zuckerhaltige Speisen und Getränke sehr zurückhaltend zu geniessen. Auch mit Bioprodukten kann man sich falsch ernähren, so wie man sich auch mit konventionellen Produkten gesund ernähren kann.
Ein direkter Zusammenhang zwischen biologischer Ernährung und dem Gesundheitszustand konnte bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden. In diesem Punkt ist das FiBL mit der FSA-Studie einig. Diesen Nachweis zu erbringen, würde sehr teure Studien erfordern. Dazu wäre z.B. eine Kohortenstudie mit 5000 bis 150'000 Menschen (je nach Fragstellung) nötig, die alle nach ihren Ernährungs- und Lebensgewohnheiten und ihrem Gesundheitszustand und Wohlbefinden befragt werden müssten. Die geringe Anzahl sich ausschliesslich oder hauptsächlich biologisch ernährender Menschen erschwert die Durchführung solcher Studien zusätzlich. Auch vertiefende Studien mit Gruppen von Menschen, die sich entweder biologisch oder konventionell ernähren – sogenannte Interventionsstudien - erfordern mehrere 100 Teilnehmer und sollten über eine möglichst lange Zeit und unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden, um gute Rückschlüsse zu erlauben.
Im Rahmen einer gesunden Ernährungsweise haben Bioprodukte jedoch klare Vorteile, welche für viele Menschen relevant sind. Bioprodukte zeichnen sich v.a. durch höhere Gehalte an ernährungsphysiologisch wertgebenden Inhaltstoffen aus, wie z.B. sekundären Pflanzenstoffen, einer Gruppe von mehreren Tausend sogenannten bioaktiven Substanzen, welche im menschlichen Körper als Antioxidantien die Abwehrkräfte stärken. Sehr viele Nahrungsmittelfirmen werben mit Lebensmitteln, welche mit Antioxidantien angereichert sind. In Bioprodukten sind diese Substanzen bereits natürlicherweise in höherer Konzentration enthalten. Zu den ernährungsphysiologisch wertgebenden Inhaltstoffen zählen bei Milchprodukten die mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wie die Omega-3-Fettsäure, und die konjugierten Linolsäuren (CLA). Beide Stoffe werden im Euter in höherem Masse gebildet, wenn Kühe viel (frisches) Raufutter fressen, und Kraftfutter und Maissilage sehr sparsam eingesetzt werden. Beides ist typisch für Biobetriebe. Bezüglich wertvermindernden Inhaltsstoffen (Pestizidrückständen, Nitraten, Schwermetallen) schneiden Bioprodukte deutlich besser ab, als konventionelle.
Die FSA-Studie verfälscht die Ergebnisse der wissenschaftlichen Literatur, indem eine grosse Anzahl von Studien als belanglos, wissenschaftlich nicht korrekt und als wissenschaftlich unbefriedigend dargestellt und deshalb nicht berücksichtigt wird. Die Kriterien, die zur Unterscheidung „guter“ und „schlechter“ Studien verwendet worden sind, sind unkorrekt und willkürlich.
Zahlreiche Studien wurden bei der Auswertung weggelassen, weil sie nicht in englischer Sprache verfasst worden sind oder keine englische Zusammenfassung aufweisen. Fachartikel aus Tagungsbänden von Wissenschaftstagungen wurden weggelassen, weil diese trotz Peer-Review (fachliche Begutachtung durch Wissenschaftskollegen) als zweitklassig beurteilt wurden. Studien, in welchen nur der Einfluss einzelner Bewirtschaftskomponenten von biologischen und konventionellen Betrieben verglichen wurden (z.B. organische Düngung versus Kunstdünger; Raufutter versus Kraftfutter bei Milch und Fleisch, biologischer Pflanzenschutz versus chemischer Pflanzenschutz), wurden ebenfalls weggelassen. Solche Arbeiten sind aber für die Beurteilung der inhaltlichen Qualität von Bioprodukten auch von Bedeutung. Als Folge dieses Selektionsprozesses blieben von 52'471 publizierten Datensätzen noch 162 Studien übrig.
Die 162 vom LSHTM-Team ausgewerteten Studien zeigen bei wahrheitsgemässer Darstellung genauso signifikante Unterschiede zwischen Bio und Konventionell, wie zahlreiche andere Literaturübersichten. (Vgl., auch FiBL.org: FiBL Dossier Qualität und Sicherheit von Bioprodukten)
So waren die Gehalte an Polyphenolen (welche als Antioxydantien wirken), an Magnesium (Hauptnährstoff), an Zink (Spurenelement), an Zucker und an Trockenmasse (man kauft weniger Wasser) in den untersuchten Studien in den Bioprodukten höher. Gleichzeitig wiesen Bioprodukte tiefere Gehalte an Stickstoff auf, was positiv ist. Zu hohe Stickstoffgehalte in Lebensmitteln können zur Bildung von Nitrosaminen im menschlichen Magen führen (krebserregende Substanzen). Bei den tierischen Produkten (Milch und Fleisch) zeigen die 162 Studien keine Unterschiede zwischen Bio und Konventionell. Dies vor allem deshalb, weil fast keine Studien den strengen Selektionsprozess überstanden.
In einem dritten Schritt wurden aus den 162 Studien nochmals zahlreiche Studien weggelassen, weil sie gewissen Kriterien des Untersuchungsteams nicht genügten. 10 Studien wurden ausgeschlossen, weil sie Bioprodukte mit solchen aus integrierter Produktion (IP) verglichen. IP ist jedoch der moderne Standard für die konventionelle Landwirtschaft. In der Schweiz z.B. gibt es 12 % Biobauern, etwa 83 % IP-Bauern und etwa 5 % konventionelle Bauern. Unter den weggelassenen Studien befindet sich die mehrjährige Schweizer Apfelstudie, wo Golden Delicious von fünf benachbarten Betriebspaaren (jeweils Biobetrieb und IP-Betrieb) miteinander verglichen wurden. In den biologisch erzeugten Golden Delicious wurden erhöhte Gehalte von Flavonoiden festgestellt, bioaktive Pflanzenstoffe, welche als Antioxidantien wirken.
87 weitere Studien wurden weggelassen, weil es sich nicht um zertifizierte Bioprodukte handelte, was bei Feld- und Gewächshausexperimenten nicht möglich ist, da wegen der Versuchstechnik und der Statistik konventionelle und biologische Parzellen auf dem gleichen Standort nebeneinander liegen müssen. Diesem Schritt viel ein 10-jähriges Feldexperiment der Universität Davis in Kalifornien mit biologischen und konventionellen Tomaten zum Opfer, wo dank der höheren Bodenfruchtbarkeit der Gehalt an Quercetin in den Biotomaten um 79 % und der Gehalt an Kaempferol um 97 % höher war. Beide Substanzen sind Flavonoide, also für die Ernährung wertvolle Antioxydantien.
Die Anzahl der in der FSA-Studie berücksichtigten Studien reduzierte sich damit auf 55, eine im Vergleich zur Gesamtmenge aller Studien lächerlich kleine Auswahl. Durch die rigorose Auswahl sind alle Unterschiede zwischen der Qualität von biologischen und konventionellen Produkten verschwunden. Einzige Ausnahme: Konventionelle Produkte könnten wegen der höheren Düngung mehr Stickstoff und biologische Produkte vermutlich wegen der höheren Bodenfruchtbarkeit mehr Phosphor enthalten. Diese Unterschiede werden von den Autoren der FSA-Studie als nicht relevant für die Ernährung bezeichnet. Diese sehr reduzierte Information wurde schlussendlich an die Medien weitergegeben.
Als weitere Schwäche der FSA-Studie kommt dazu, dass ganz wichtige neuste Ergebnisse aus dem grossen EU-Projekt QualityLowInputFood (QLIF) nicht mehr berücksichtigt wurden, weil diese erst nach Abschluss der FSA-Studie publiziert wurden. Die QLIF-Projekte zeigen deutlich, dass biologische Lebensmittel ernährungsphysiologisch wertvoller sind als konventionelle.
Unter dem Kürzel QLIF forschten 35 wissenschaftliche Institutionen und Industriepartner während 5 Jahren an aktuellen Fragestellungen des Biolandbaus. Der volle Titel lautet Improving quality and safety and reduction of cost in the European organic and „low input“ food supply chains, kurz: QualityLowInputFood.
Die Europäische Kommission finanzierte dieses Programm mit 12.4 Millionen Euro. Weitere 5.6 Millionen Euro trugen die Schweiz, Dänemark, die Niederlande, Frankreich, England, Türkei, Israel und mehrere Unternehmen der Biobranche bei. QLIF hatte seinen Schwerpunkt in der Frage der Qualität und Sicherheit von Bioerzeugnissen, so wie das gesamte sechste Forschungsrahmenprogramm der EU.
QLIF, das bisher grösste EU-Forschungsprojekt zum Thema Ökolandbau wurde im Mai 2009 nach fünf Jahren (2004 bis 2009) erfolgreich beendet.
Das Projekt lieferte bis heute zahlreiche Veröffentlichungen (Tagungsbeiträge, Vorträge, wissenschaftliche Publikationen).
Die Ergebnisse des QLIF-Pojekts wurden in acht Broschüren zusammengefasst, die auf der QLIF-Homepage abrufbar sind. Jede Broschüre fasst die Resultate zu einem Themenblock zusammen. Auf Deutsch die zentralen Ergebnisse auf FiBL.org abrufbar.
1. Die Qualität von Ökoprodukten ist sehr gut und entspricht den Erwartungen der Verbraucher
2. Ökoprodukte sind sicher
3. Die Verarbeitung von Ökoprodukten ist ein wichtiger Trend, stellt aber grosser Herausforderungen
4. Gesundheitsbehauptungen bleiben unbewiesen
5. Warum kaufen nicht mehr Verbraucher bio? Viele neue Erklärungen
6. Wirtschaftliche wichtige Engpässe in den ökologischen Lebensmittelketten wurden zum Teil erfolgreich bearbeitet