Kommentar zum Beitrag "Der Bio-Check" in der Zeitschrift "test" der Stiftung Warentest vom Juni 2010
Sind Biolebensmittel wirklich besser als herkömmliche? Seit 2002 listet die deutsche Stiftung Warentest alle wesentlichen Aspekte, die die Qualität von Ökoprodukten ausmachen. Dabei werden deren Stärken erwähnt und Eigenschaften, bezüglich derer Bio- und konventionelle Produkte gleich sind. Es gibt bei beiden Produktionsmethoden auch Ausreisser nach unten, denn Ökobauern haben genauso mit den Tücken des Wetters, schwierigen Bodenverhältnissen, wenig besonnten Lagen und manchmal mit fehlendem Fachwissen zu kämpfen wie alle Bauern. Und die Biorichtlinien stellen mit ihrem hohen Anspruch an die Naturbelassenheit besondere Herausforderungen an die Verarbeiter und den Handel.
Der Bio-Check 2010 der Stiftung Warentest zeigt: Biolebensmittel bieten Vorteile gegenüber herkömmlichen. Nicht nur im heimischen Bioobst und Biogemüse, auch in exotischen Früchten wurden keine Pestizide gefunden (mit der Ausnahme pestizidbelasteter Ökoweinblätter). Dies im Gegensatz zur konventionellen Ware, wo geringe bis deutliche Belastungen häufig sind. Bei der Belastung mit Keimen zeigten vor allem tierische Lebensmittel ein erhöhtes Risiko, zum Beispiel Butter und Wurstwaren. Das galt für biologische und für konventionelle Ware.
Die Warentest-Studie zeigt, dass die Bioprodukte genauso sicher sind wie herkömmliche. In der konventionellen Landwirtschaft wird vieles gemacht, um allfällige "Naturgifte" zu vermeiden. Die Tiere werden in industriellen Ställen gehalten, weil die Freilandhaltung (Kontakt mit Kot) angeblich zu höheren Belastungen mit Salmonellen und Kolibakterien führt. Weizen wird gespritzt, damit Pilzkrankheiten keine Giftstoffe (Mykotoxine) bilden. Dies ist überflüssig, wie auch die Warentest-Studie zeigt. Für Säuglingsnahrung zum Beispiel gelten die strengsten Richtlinien. Hinsichtlich Pestizidrückständen wird formuliert: "Darüber hinaus sollten zum Schutz der Gesundheit von Säuglingen und Kleinkindern, einer gefährdeten Bevölkerungsgruppe, die niedrigsten Höchstgehalte festgelegt werden...". Statt sich an Höchstgehalten für Fungizide und Pestizide zu orientieren, verzichten Biobauern jedoch lieber gleich auf deren Einsatz.
Hinweise, ob Bioprodukte gesünder oder schmackhafter sind als konventionelle, liefern die Testergebnisse allerdings nicht. Manche Bioprodukte haben eine andere Rezeptur als konventionelle. Andere Sorten, der Verzicht auf den Einsatz von Aromen oder Verdickungsmittel und das Verbot der Färbung machen Bioprodukte natürlicher und wahrhaftiger. Für viele Konsumenten und Warentester ist das im ersten Moment ungewohnt. Denn es bedeutet zum Beispiel, dass einem beim Öffnen eines Erdbeerjoghurts nicht der intensive Erdbeergeruch zugesetzter synthetischer Aromastoffe entgegenströmt. Und der Wels in Biofischstäbchen etwa schmeckt anders als der sonst übliche Seelachs.
Ein weiterer klarer Vorteil für Öko: Käufer von Biolebensmitteln können Unternehmen stützen, die soziale, ethische und ökologische Verantwortung übernehmen. Die Untersuchung bestätigt in den allermeisten Fällen, dass die Biounternehmen tatsächlich sozial und ökologisch verantwortlich handeln.
Bezüglich Klimaschutz zeigt die Studie, dass viele Ökorohstoffe um den ganzen Globus transportiert werden, was Energie verbraucht und Emissionen verursacht. Tierische oder verarbeitete, im Treibhaus angebaute oder im Flugzeug eingeführte Lebensmittel belasten das Klima am stärksten. Den einzigen Konsumententipp liefert die Studie zu diesem Thema: "Tragen Sie zum Klimaschutz bei und wählen Sie Lebensmittel nach Saison aus der Region und kaufen Sie ohne Auto ein."
Der Bio-Check zeigt, wo Bauerinnen und Verarbeiter ihr Engagement für Qualität weiter verbessern können. Viele Biobauern und -verarbeiter engagieren sich sehr, noch bestehende Qualitätsmängel zu beheben und sensorisch hervorragende und innovative Lebensmittel mit schonender Verarbeitung zu erzeugen. Weitgehend allein gelassen von den grossen Entwicklungslabors der Lebensmittelindustrie und noch wenig unterstützt von der staatlichen Lebensmittelforschung, ist das eine schwierige Aufgabe. Es ist Zeit, dass von dort mehr Unterstützung kommt.
Die Studie erfasst nicht alle Aspekte der Qualität von Biolebensmitteln. Hier eine umfassendere Zusammenfassung:
Urs Niggli und Ursula Kretzschmar, FiBL, 8. Juni 2010