Die Fähigkeit der Tiere, sich an lokale Umweltbedingungen anzupassen, ist im Biolandbau besonders wichtig, weil Hilfsmittel wie Medikamente und Futterzusätze nur sehr begrenzt einsetzbar sind, die in der konventionellen Landwirtschaft oft genutzt werden, um Unterschiede zwischen verschiedenen Umwelten auszugleichen. Das FiBL arbeitet in mehreren Projekten zur Milchrinderzucht, zur Schweinezucht und zur Bienenzucht. Bei allen Tierarten ist dabei die Förderung lokal angepasster Rassen und Individuen ein zentrales Thema.
Besonders in der Rinderzucht engagiert sich das FiBL für eine standortgerechte und artgerechte Zucht, die auf eine gute Tiergesundheit und eine effiziente, ressourcenschonende Produktion ausgerichtet ist. Zusammen mit Biozüchtergruppen legt das FiBL seit 15 Jahren rund alle drei Jahre fest, nach welchen Kriterien (funktionellen Merkmalen) die vorhandenen Stiere für die künstliche Besamung (KB) auszuwählen sind, damit sie für Biobetriebe empfehlenswert sind. Die für die biologische Tierhaltung gut geeigneten Stiere werden mit dem "Kleeblatt-Label" ausgezeichnet.
Das FiBL hat einen Einschätzungsbogen zur standortgerechten Milchviehzucht entwickelt, mit dem in der Beratung und im Unterricht die Standortgerechtheit der Milchviehzucht betriebsbezogen angeschaut und optimiert werden kann. Standortgerechtheit bedeutet, dass die Tiere gut von dem Futter leben können, das auf ihrem Betrieb wächst und in Grösse und Konstitution zur Umwelt passen. Der Einschätzungsbogen besteht aus Fragen zum Betrieb und zur Herde und resultiert in einem automatischen Bericht. Er wird heute in der ganzen Schweiz im Biolandbauunterricht an den landwirtschaftlichen Schulen genutzt. Im Projekt "Biozucht Graubünden" wurden 2009 und 2010 total 99 Biobetriebe eingeschätzt und ausgewertet. Es zeigte sich, dass Betriebe, deren Standortgerechtheit als gut eingestuft wurde, kürzere Zwischenkalbezeiten hatten, die Tiere weniger oft behandeln mussten und eine längere Nutzungsdauer auswiesen.
In einem Vergleich von Biokühen, die mit künstlicher Besamung gezeugt wurden, mit Biokühen, die durch Natursprung gezeugt wurden, hatten letztere tendenziell kürzere Zwischenkalbezeiten und tiefere Zellzahlen. Die Resultate wurden so interpretiert, dass Natursprungstiere viel häufiger auf Biobetrieben und in der gleichen Region, wie die Kühe leben, aufgezogen werden als KB-Stiere und dass sie deshalb besser an lokale Bedingungen angepasst sein könnten. Dies kann mit einer besseren Gesundheit und besseren Fruchtbarkeit zusammenhängen.
Im Core Organic-Projekt "Organicdairyhealth" hat das FiBL Unterschiede zwischen autochthonen Milchviehrassen und kommerziellen Rassen auf Biobetrieben in Deutschland, Österreich, Polen, Schweden und der Schweiz ausgewertet. Es zeigte sich, dass die lokalen Rassen in den Gesundheits- und Fruchtbarkeitsmerkmalen fast immer und in allen Ländern den kommerziellen Rassen überlegen sind, dass aber die kommerziellen Rassen in den Produktionsleistungsmerkmalen fast immer höher liegen als die lokalen Rassen.
Von Herbst 2017 bis Herbst 2020 untersucht das FiBL im Rahmen des EU-Projektes "GENTORE" mithilfe von Phänotypisierungen die Fress- und Wiederkäuverhaltensmerkmale von Milch- und Mutterkühen im Zusammenhang mit Futterveränderung auf der Weide. Das Verhalten wird mit Hilfe von "Rumiwatch-Halftern" direkt am Tier gemessen. Das Ziel ist, herauszufinden, wie schnell und in welcher Art die Kühe ihr Verhalten an Futterveränderungen anpassen und ob diese Eigenschaften mit der Gesundheit und der Effizienz der Tiere in einem Zusammenhang stehen. Die Ergebnisse sollen als Basis dienen für die Entwicklung von neuen Selektionsmerkmalen.
Zusammen mit Bio Suisse und Swissgenetics startet das FiBL voraussichtlich 2019 ein Projekt zur Aufzucht und Absamung von Stieren von Biozuchtbetrieben, die den Kraftfutter- und den Antibiotikaeinsatz minimieren. Damit soll das Angebot an KB-Stieren, die sich besonders für Biobetriebe gut eignen, vergrössert werden. Das FiBL Merkblatt "Biomilchviehzucht im Berggebiet" gibt Hinweise und Tipps für die standortgerechte Zucht auf Biobergbetrieben.
In den Merkblättern "Kuhfamilienzucht" und "Stierhaltung für die Zucht im Biobetrieb" zeigt das FiBL die Möglichkeiten der Zucht mit Natursprungstieren auf und gibt viele praktische Tipps zur Stierhaltung und zur Zucht mit eigenen Kuhfamilien.
Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Informationen zum Thema, zu FiBL Projekten und Veröffentlichungen.
Im folgenden Dokument finden Sie eine Übersicht über die Reproduktionstechniken in der Tierzucht sowie eine Bewertung der daraus entstehenden Auswirkungen für die Biolandwirtschaft.
Reproduktionstechniken in der Rinderzucht – was passt zum Biolandbau und was nicht?
Weitere Informationen zu neuen Züchtungsmethoden in der Pflanzenzüchtung finden Sie hier: