Der weltweit rasch steigende Bedarf an Fisch und Meeresfrüchten wird seit den 1990er Jahren zunehmend durch die Produktion aus Aquakultur gedeckt. Stagnierende und zurückgehende Fischereierträge aus den Weltmeeren und den Flusssystemen reichen nicht mehr aus, um diesen Bedarf zu decken.
Laut Statistiken der Weltorganisation für Ernährung und Landwirtschaft (Food and Agriculture Organization, FAO) stagniert der Ertrag der weltweiten Fischerei seit Jahren bei ca. 90 Mio. Tonnen (1995: 94 Mio. t, 2000: 94.7 Mio. t, 2003: 89.5 Mio. t, 2007: 91.9 Mio. t, 2010: 90.2 Mio.t, 2011: 94.9 Mio. t, 2012: 92.5 Mio. t). Die Erträge aus der gesamten Aquakultur (Fische, Schalentiere, Algen, etc.) stiegen weltweit von 65 Mio. Tonnen im Jahr 2007 auf 90.4 Mio. Tonnen im Jahr 2012.
Einerseits ist diese enorme Produktion von Wassertieren an Land oder in Netzen in Meeren, Seen und Flüssen im Hinblick auf die Versorgung der Weltbevölkerung mit Fisch positiv zu sehen. Andererseits können mit der intensiven, industriellen Aquakultur massive Nachteile wie Gewässerverschmutzung, Land- und Ressourcenverbrauch, Missachtung von Menschenrechten, Verstöße gegen den Tierschutz und Massenausbrüche von Fischen verbunden sein.
Ökologische Aquakultur ist ein relativ junges Segment der Biobranche. Mit der Entwicklung von Standards, die dazu geeignet sein sollten, die negativen Aspekte der konventionellen Aquakultur abzumildern, setzte diese seit Beginn der 1990er Jahre Zeichen. Zunächst auf der Basis privater Richtlinien einiger Anbauverbände wie Naturland (Deutschland) oder der Soil Association (Großbritannien), später in manchen Ländern - zum Beispiel Spanien, Frankreich, Dänemark - auch eingebunden in die nationale Gesetzgebung zum Biolandbau, wurden mehr oder weniger tiefgreifende Reglements erlassen. Sie basieren auf den Prinzipien der extensiven Tierzucht und implementieren Umweltschutz, Tiergerechtigkeit und - teilweise - Sozialkriterien, ohne die Wirtschaftlichkeit ausser Acht zu lassen.
Die Regelungen beschränken sich nicht nur auf die Länder, in denen sie erarbeitet wurden (wie Deutschland und Großbritannien), sondern erlangten schnell internationale Gültigkeit; heute decken sie zum Teil auch tropische Arten ab. Mittlerweile gibt es in Europa etwa 20 verschiedene Standards zur Öko-Aquakultur, die sich aber teils erheblich hinsichtlich ihrer Restriktionen und der Qualität der resultierenden Produkte unterscheiden. Vereinheitlichung sollte ein Kapitel zur Aquakultur in der EU-Öko-Verordnung 889/2008 bringen, das als eigene Verordnung (710/2009) seit 1. August 2009 rechtskräftig ist.
Ökologische Aquakultur beschränkt sich auf wenige Arten und Produktionssysteme. Generell kann man unterscheiden zwischen Teichwirtschaft im Binnenland und Netzgehegen an Meeresküsten oder in Flüssen und Seen. In Europa werden vor allem Karpfen, Salmoniden (Lachsfische: Forellen, Saiblinge, Lachse) und Dorsche nach Ökorichtlinien gezüchtet und gemästet. Doraden und Wolfsbarsche aus dem Mittelmeerraum ergänzen seit einigen Jahren die Ökopalette der europäischen Arten. Die Haltungsformen reichen von der extensiven Karpfenteichhaltung ohne Zufütterung bis zur semiintensiven Teich- und Netzgehegehaltung (Forellen beziehungsweise Lachse, Dorsche und Mittelmeerarten). Auch ökologische Muschel- und Austernzuchten gibt es in Europa.
In tropischen und subtropischen Regionen werden Garnelen und einige Fischarten (Welse, Tilapien) ausschließlich für den Export produziert. Für die dortigen regionalen Märkte hat die Öko-Aquakultur in der Regel keine Bedeutung, trägt aber zur Einkommenssicherung bei und unterstützt häufig die Entwicklung von Sozial- und Infrastruktur. Es dominieren einfache Systeme der Teich- oder Netzgehegeproduktion, bei denen die Tiere teilweise Kraftfutter erhalten. Teichanlagen sind oftmals sehr naturnah in die umgebenden Ökosysteme eingegliedert und erfüllen damit die Standards der jeweiligen Zertifizierer. Problematisch kann auch in der Öko-Aquakultur die Abhängigkeit von Handels- und Verteilerstrukturen sein, die es den einzelnen Fischfarmern schwer macht, die Preise und Einkommen selbst zu kontrollieren.
Eines der wichtigsten Anliegen der biologischen Aquakultur ist die Nachhaltigkeit der eingesetzten Futtermittel und damit der so weit wie möglich reichende Verzicht auf den Einsatz von konventionellem Fischmehl. Für karnivore Arten, die auf tierisches Protein im Futter angewiesen sind, kann auf Restematerial aus der Fischverarbeitung zurückgegriffen werden. Die Verfügbarkeit dieses Rohstoffs - wie von Fischmehl generell - ist allerdings aufgrund der zu erwartenden zunehmenden Ressourcenverknappung begrenzt. Weil jedoch der Einsatz pflanzlicher Proteine an ernährungsphysiologische Grenzen stößt und karnivore Fische nicht zum Vegetariertum gezwungen werden dürfen, sucht nicht allein die Ökobranche nach tierischen Alternativen zu Fischmehl. Andererseits kann der Nährstoffbedarf auch bei Raubfischen in einem ausgewogenen Futtermittel teilweise aus pflanzlichem Material gedeckt werden; bei zertifiziertem Ökofischfutter muss dieses aus Bioproduktion stammen.
Weitere Grundsätze der Ökoaquakultur - neben dem Einsatz von Biofutter - sind die gentechnikfreie Produktion und Verarbeitung entlang der gesamten Wertschöpfungskette (also vom Jungfisch bis zum Fertig- und Tiefkühlprodukt), die Begrenzung der Besatzdichte und das Verbot von Kunstdünger, synthetischen Herbiziden und Pestiziden. Grundsätzlich darf von Ökobetrieben keine oder nur eine geringstmögliche Belastung der Umwelt ausgehen. Daher muss eine Biofischfarm einen Managementplan entwickeln, der sowohl Maßnahmen zur Vermeidung von Kontaminationen (etwa mit Ammonium- und Nitratstickstoff als Abbauprodukt aus der Futterverwertung) als auch regelmäßige Kontrollen des Abwassers oder der Sedimente vorsieht. Natürliche Pflanzengesellschaften wie etwa Mangroven müssen in die Farm integriert werden. Besonders wichtig ist auch der Standort einer Farm, der spezielle Anforderungen für eine Biozertifizierung erfüllen muss. Dazu gehört beispielsweise bei Netzgehegen die Wassertiefe und -Strömung oder bei Teichanlagen der Ausschluss von Kontaminationen aus der Umgebung (etwa aus der Intensivlandwirtschaft oder benachbarten konventionellen Fischzuchten).
Da Tierschutz und Tiergerechtigkeit sehr wichtige Themen in der Verbraucherwahrnehmung sind, ist beispielsweise das stressfreie Schlachten der Fische für die ökologische Aquakultur ebenfalls von großer Bedeutung. Schnelle und schonende Verfahren sind in den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen vorgeschrieben, jedoch gibt es auch in diesem Bereich noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Weiterführende Informationen zu Betäubungs- und Schlachtmethoden für Speisefische
Bislang herrscht noch wenig Übereinstimmung zwischen den Richtlinien verschiedener Verbände und EU-Staaten hinsichtlich der erlaubten Präparate sowie der Häufigkeit medizinischer Behandlungen. Alle Richtlinien legen im Krankheitsfall den Einsatz natürlicher Methoden (pflanzliche Extrakte, homöopathische Arzneimittel) nahe, erlauben im Bedarfsfall aber auch konventionelle Medikamente. Insgesamt sind die Möglichkeiten für die Fischfarmer, im Krankheitsfall die Bestände zu behandeln, ebenso stark eingeschränkt wie die Auswahl an zugelassenen Mitteln für Desinfektion und Prophylaxe, was zu einem regelrechten Behandlungsnotstand in der Süsswasserfischzucht geführt hat.
Sehr konkret wird dieses Thema aber auch in der ökologischen Lachszucht, die ebenso wie die konventionelle Lachszucht das Problem der Lachslaus bewältigen muss. Die Lachslaus ist ein blutsaugender Kleinkrebs, der als Parasit auf den Fischen lebt und erheblichen Schaden anrichten kann. Die zuständigen Behörden der europäischen Lachszuchtnationen (Irland, Schottland, Norwegen) schreiben die Behandlung mit entsprechenden Medikamenten (Avermectinen) vor, sobald die Anzahl an Parasiten pro Fisch einen bestimmten Grenzwert übersteigt. Ökolachs muss dabei genauso behandelt werden wie konventioneller – einzig die Wartezeiten zwischen Behandlung und Schlachtung sind in der Ökolachszucht mindestens doppelt so lang wie in der konventionellen Zucht.
Inzwischen gibt es auch einige alternative Medikamente und Verfahren, um die Lachslaus ohne den Einsatz chemischer "Keulen" wirksam zu bekämpfen. So werden zum Beispiel in Biolachsfarmen in Irland verschiedene Verfahren angewandt: "Putzerfische", die gemeinsam mit Lachsen in Netzgehegen gehalten werden, fressen den Lachsen die Parasiten vom Körper. Versuche mit Schallgeräten zeigen einen deutlich niedrigeren Parasitenbefall. Wasserstoffperoxidanwendungen anstelle des Avermectineinsatzes bringen ebenfalls sehr gute Erfolge, sind gleichzeitig für die Fische gut verträglich und außerdem ökologisch unbedenklich. Und schließlich führen spezielle pflanzliche Beimischungen im Futter (etwa auf Knoblauchbasis) ebenfalls zu deutlich geringeren Parasitenzahlen im Vergleich zu nicht behandelten Fischen.
Noch ist weitere Forschung nötig, doch der Einsatz chemischer Antiparasitika wird in der ökologischen Aquakultur hoffentlich bald der Vergangenheit angehören.
Ein weiteres Forschungsthema ist das Fischwohl beziehungsweise die tiergerechte Haltung. Uneinigkeit herrscht zum Beispiel in der Frage, wie dicht Fische in künstlichen Gewässern oder Gehegen gehalten werden können, ohne die Ansprüche an eine artgerechte Haltung zu verletzen. Außerdem ist unklar, wie wichtig für Fische eine natürliche oder naturnahe Umgebung ist und ob etwa geschlossene Kreislaufanlagen ökologisch zertifizierbar sind oder nicht. Die Mehrzahl aktueller Richtlinien sowie die EU-Verordnung 710/2009 zur Praxis der ökologischen Aquakultur schliessen eine Zertifizierung aus. Eine Studie zur Ökobilanz solcher Anlagen fällt ebenfalls negativ aus (Nathan W. Ayer and Peter H. Tyedmers (2009): Assessing alternative aquaculture technologies: life cycle assessment of salmonid culture systems in Canada, Journal of Cleaner Production, Volume 17, Issue 3, p.362-373).
Des Weiteren mangelt es noch immer an weltweiten Daten zur Produktion und Wirtschaftlichkeit zertifizierter Betriebe sowie zu den Faktoren, die die Wirtschaftlichkeit beeinflussen.
Auch sichere Strategien, wie der ökologischen Aquakultur zum Durchbruch verholfen werden kann, gibt es bislang nicht.
Die Bio-Aquakultur hat in Europa bisher kaum Ansätze einer Integrierung mit anderen (landwirtschaftlichen) Produktionszweigen verfolgt. Dabei ist die Nutzung von Synergien unter anderem in den Bereichen Futtermittel, Energie und Logistik jedoch dringend geboten und ein ideales Feld, um Innovationen aus der ökologischen Aquakultur auch für die konventionelle zu entwickeln.
Aus Gründen der Lebensmittelsicherheit und Produktqualität ist die Verwendung von Hilfs- und Konservierungsstoffen bei der Verarbeitung ökologischer Aquakulturprodukte stark eingeschränkt, was die Ökoproduktpalette begrenzt. Auch die Suche nach geeigneten Alternativen zu Benzoesäure etc. ist daher ein Feld künftiger Forschung für die Ökoaquakultur.
Weltweit gibt es inzwischen zwar fast 250 zertifizierte Aquakulturbetriebe, die Fische und andere Meerestiere (insbesondere Garnelen) nach biologischen Standards produzieren. Dennoch macht die - einige Zehntausend Tonnen umfassende - Ökojahresproduktion nur einen Anteil im Promillebereich der gesamten weltweiten Aquakulturproduktion aus. Dabei leisten Ökoaquakulturbetriebe aktiv einen Beitrag zum Umweltschutz und zur Sozialstruktur ihrer Gemeinden, vor allem in tropischen und subtropischen Ländern. Die Produktion von sogenannten "cash crops" - also Produkten und Lebensmitteln, die in Entwicklungsländern ausschließlich für den Export erzeugt werden - schafft gerade im Kontext der Ökozertifizierung nachhaltig Arbeitsplätze und Einkommen, ohne zu Unterdrückung und Abhängigkeit zu führen. Dies gilt auch für Produkte aus ökologisch zertifizierter Aquakultur. Dabei ist es wichtig, dass das jeweilige Regelwerk auch Sozialstandards enthält. Dies ist bei der EU-Öko-Verordnung nicht der Fall, im Gegensatz zu vielen privatrechtlichen Standards.
Auch im deutschsprachigen Raum ist die ökologische Fischzucht noch ein kleines Segment der gesamten Teichwirtschaft, durch die hier hauptsächlich Karpfen (und die Beifische Zander, Schleie, Hecht, Wels) und Forellen produziert werden. In Österreich sind es vor allem Karpfenteichwirtschaften, die auf ökologische Produktion umgestellt haben, in Deutschland und in der Schweiz überwiegend Forellenbetriebe.
In der Karpfenteichwirtschaft ist der Schritt, der zur Anerkennung des Öko-Status führt, oftmals nur ein kleiner (beispielsweise Zufütterung ökologisch zertifizierten Getreides anstelle von konventionellem, Verminderung der Besatzdichte). Die entscheidende Frage, die positiv beantwortet werden muss, bevor sich ein Betrieb zur Umstellung entschließt, ist die nach Absatzmöglichkeiten und ausreichenden Gewinnspannen. Aus reinem Öko-Idealismus wird dieser Schritt sicherlich nicht vollzogen. Dies gilt in noch größerem Maß für die Forellenzucht, die hinsichtlich Fütterung und Haltung ungleich komplexer ist als die Karpfenzucht. Insbesondere die zulässige Besatzdichte, die in der Öko-Forellenproduktion geringer ist als in der konventionellen, entscheidet über das Betriebsergebnis. Wenn weniger Fische in einem Teich gehalten werden dürfen, vermindert sich entweder der Umsatz des Betriebs oder Flächen- und Arbeitsbedarf steigen an. Aber auch die höheren Futterkosten und der zusätzliche bürokratische Aufwand beeinflussen die Höhe des schließlich für den Teichwirt übrig bleibenden Mehrwerts der ökologischen Produktion.
Der für das erfolgreiche Wachstum des Sektors wesentliche Faktor ist jedoch der Markt - und damit sind es bewusste Konsumenten, die sich für die qualitativ hochwertigen Produkte aus ökologischer Aquakultur entscheiden.