Bei der "Agrobiodiversity Summer School" trifft sich seit 2019 jedes Jahr eine andere Gruppe Studierender aus ganz Europa, um sich intensiv mit dem Thema Agrobiodiversität zu befassen. Organisiert wird die Summer School vom FiBL Schweiz, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW und lokalen Partnerinstitutionen.
Agrobiodiversität umfasst die Biodiversität, die für Landwirtschaft und Ernährung von Bedeutung ist, ebenso wie die Biodiversität innerhalb der vom Menschen geprägten Landschaften.
Agrobiodiversität ist deshalb die Grundlage für die Produktion vielfältiger und nahrhafter Lebensmittel, aber auch für die Züchtung neuer Pflanzensorten und Tierrassen. Diese Vielfalt der Nutztiere und Nutzpflanzen stärkt die Widerstandsfähigkeit von Agrarsystemen gegenüber klimatischen Schwankungen, Krankheiten und Schädlingen. So unterstützt Agrobiodiversität Anbaumethoden, die weniger ressourcenintensiv sind und externe Inputs wie Pflanzenschutzmittel reduzieren.
Agrobiodiversität ermöglicht auch die Diversifizierung landwirtschaftlicher Einkommensquellen, beispielsweise durch den Anbau von innovativen Nischenkulturen oder die Vermarktung traditioneller Lebensmittel. In ländlichen Regionen bietet Agrobiodiversität Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensgrundlagen. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO betont deshalb, dass die nachhaltige Nutzung und Erhaltung der Agrobiodiversität wesentlich sind, um die globalen Herausforderungen wie Ernährungsunsicherheit, Klimawandel und Umweltzerstörung zu bewältigen.
In der Aus- und Weiterbildung spielt das Thema leider kaum eine Rolle. Mit Ausnahmen: Seit 2019 organisieren das FiBL und die ZHAW jährlich eine Summer School für Studierende zum Thema Agrobiodiversität – jedes Jahr in einem anderen europäischen Land. Dabei geht es nicht nur um die Vielfalt der Biodiversität und der Produktionssysteme, sondern auch um die Diversität der Vermarktungskanäle oder das Wissen und die Fähigkeiten von Personen, die sich für eine nachhaltige Nutzung der Agrobiodiversität einsetzen.
Während der zehn Tage dauernden Summer School stellen lokale Akteur*innen die Bedeutung der Agrobiodiversität vor. Dadurch wird sie für die Studierenden konkret und erlebbar.
2024 wurde die Summer School in Zusammenarbeit mit der Universität Ljubljana in Slowenien durchgeführt. Über die folgenden Orte, die besucht wurden, haben die Studierenden in einem Blog berichtet.
In den letzten 30 Jahren wurde aus einer Mülldeponie des Hafens von Koper ein Naturschutzgebiet. Das Gebiet wurde vor dem Bau des Hafens als Gemüsegarten genutzt und war bekannt für seine besondere Flora und Fauna. Der Ausbau des Hafens zerstörte einen Grossteil dieser Vielfalt. Die Erinnerung an die verlorene Natur motivierte eine kleine Gruppe, aus der Mülldeponie einen vielfältigen Lebensraum zu schaffen. Heute ist das Gebiet Naturschutzgebiet und Naherholungsraum für die Stadt Koper. Das Beispiel zeigt eindrücklich, dass mit einer Vision und positiver Entschlossenheit Veränderungen entstehen können.
In der Bela Krajina lebt der bis zu 30 Zentimeter grosse Schwarze Grottenolm (Proteus anguinus parkelj), der erst 1986 wissenschaftlich beschrieben wurde. Der Olm ist gefährdet, denn er benötigt sauberes Wasser und ist empfindlich gegenüber Stickstoffbelastung und Pestiziden. Die Studierenden erlebten, wie die lokale Regierung, Bildungsinstitutionen, die Wissenschaft und die Landwirtschaft gemeinsam Massnahmen entwickeln, um die Art in der Region zu halten.
Der Naturpark Ljubljana Marshes ist ein Gebiet von grosser landwirtschaftlicher und ökologischer Bedeutung, das gefährdete Arten beherbergt. Neue Vorschriften, die die landwirtschaftlichen Aktivitäten einschränken, und mangelnder Einbezug der Betroffenen haben zum Widerstand der Landwirt*innen geführt. Die Studierenden entwickelten Vorschläge, um die Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutzorganisationen zu verbessern und eine nachhaltige Landwirtschaft bei gleichzeitigem Schutz der Biodiversität zu gewährleisten.
Salzproduktion ist keine Landwirtschaft, aber doch einer schonenden Nutzung der Küstenlandschaft Sloweniens verpflichtet. Seit 700 Jahren wird traditionell und mit minimaler Ausrüstung Salz abgebaut, wodurch eine unvergleichliche Biodiversität und handwerkliches Wissen über Generationen hinweg bis heute erhalten geblieben sind. Das Beispiel zeigt, wie der Schutz der Biodiversität und das Schaffen lokaler Arbeitsplätze durch die Zusammenarbeit von Forschung, Politik, Tourismus und weiteren Stakeholdern Realität werden können.
Im Rahmen der Summer School wurden weitere Beispiele besucht, mit den involvierten Akteur*innen diskutiert und in Teams reflektiert. Natürlich konnten keine Lösungen für die Landwirtschaft oder den Tourismus in der Region erarbeitet werden. Die Summer School gibt den Studierenden und den involvierten, lokalen Akteur*innen Inspiration und Denkanstösse und verschafft den besuchten Projekten eine grössere Sichtbarkeit.
Auch 2025 findet die Summer School wieder statt – diesmal in Deutschland. Die Anmeldung ist noch bis 16. Februar 2025 möglich.
blog.zhaw.ch: Blogbeiträge
fibl.org: News zur Summer School 2025