(Frick/Bern, 2. Juli 2019) Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des FiBL haben am 2. Juli 2019 in Bern das Thema Pestizide auf Lösungsansätze abgeklopft. Ihr mit aktuellem Zahlenmaterial und neuen Forschungsarbeiten untermauertes Fazit in vier Punkten:
1 Das Reduktionspotential bei den chemisch-synthetischen Pestiziden ist hoch
Teilschritte sind sofort umsetzbar. Die Praxis und die Forschung im Biolandbau zeigen, dass Herbizide mit modernsten Geräten, mit Mischkulturen und mit Bodenbedeckungen vollständig ersetzt werden können. "Schweizer Landwirtschaft ohne Herbizide" wäre eine für die Praxis, die Alleinstellung am Markt und die Agrarpolitik interessante Vision. Zu deren Realisierung das FiBL mit seiner Expertise gerne einen Beitrag leistet.
2 Nachhaltige, praxistaugliche Lösungen sind Lösungen im System
Ein vorbeugender Pflanzenschutz ist ohne Systemeffekte durch vielgliedrige Fruchtfolgen, Mischkulturen, Buntbrachen und Hecken, Blühstreifen oder ertragsneutrale Restverunkrautungen nicht praxistauglich. Dieser agronomische Realitätssinn muss das Ankünden von einfachen Pestizid-Lösungen ablösen. Bauern, Pflanzenschützer, Anbautechniker, Ökologen, Forscher und Berater sind nur vernetzt Teil der Lösung.
3 Ohne standortgerechte Sortenwahl und Züchtung von neuen Sorten sind komplexere Krankheits- und Schädlingsprobleme insbesondere bei den Spezialkulturen nicht zu bewältigen
Neue Sorten brauchen Zeit und Geld. So auch Züchtungsprojekte wie verbesserte Krankheitstoleranzen beim Apfel oder die Toleranz von Baumwolle gegen Wurzelbohrer und saugende Insekten durch partizipative Züchtung in Indien, die das FiBL durchführt. Projekte wie diese zeigen den Weg, brauchen aber mehr Unterstützung und Nachahmer weltweit.
4 Höchst aufwändig ist die Entwicklung von alternativen, chemiefreien Direktmassnahmen
An direktem Pflanzenschutz ohne chemisch-synthetische Pestizide wird in der Schweiz sowohl am FiBL wie auch bei Agroscope seit 30 Jahren geforscht. Die Fülle an möglichen Lösungen wie z.B. natürliche Antagonisten (Insekten, Viren, Nematoden), Pflanzenextrakten oder natürliche Materialien (Tonmineralien, Milchextrakten etc.) ist riesig. Sie zu standardisierten Pflanzenschutzprodukten zu entwickeln, ist extrem teuer. Hier braucht es öffentliche und private Investitionen in die Forschung. Die Schweiz wäre prädestiniert, eine Spitzenposition einzunehmen. Die öffentliche Debatte um Pestizide zeigt zum Glück erste Ergebnisse. Denn mittlerweile zählen in der Europäischen Union die Hälfte aller Genehmigungsanträge für neue Wirkstoffe zu den biologischen Pflanzenschutzmitteln. Das zeigt das ganz offensichtlich erkannte Potential.
Das Thema Pestizide ist mehr als ein Ja/Nein- Abstimmungsthema
Die Weiterentwicklung von vorbeugenden und direkten Pflanzenschutzmethoden ist dringlich, damit Ertragsverminderungen durch Verzicht auf Pestizide aufgefangen werden können. Die bisherige Finanzierung der Forschungs- und Entwicklungsarbeit am FiBL – ermöglicht durch Aufträge der Schweizer, österreichischen und deutschen Regierungen, der Europäischen Union, von gemeinnützigen Stiftungen sowie von innovativen Firmen – bringt eine kontinuierliche Verbesserung der landwirtschaftlichen Ertragssicherheit, der Umwelt und der Lebensmittelqualität. Um die notwendige grosse Wirkung zu erzielen, ist die Forschung und Entwicklung für biologische Pflanzenschutzlösungen in Zusammenarbeit insbesondere auch mit Industriepartnern voranzutreiben.
Die Diskussion zu den bald zur Abstimmung stehenden Eidgenössischen Volks-Initiativen ist ein Aufhänger auf der Agenda der Agrarpolitik. Genährt wird die Brisanz der Thematik durch die inhaltliche Relevanz (Pestizid-Rückstände, Verlust an Biodiversität, Resistenzen, Sackgassen bei den neuen Wirkstoffen etc.) und die entsprechenden Diskussionen auf nationaler und internationaler Ebene.
Weiterführende Informationen
Kontakte
- Urs Niggli, Direktor
- Lucius Tamm, Leitung Gruppe Pflanzenschutz-Pathologie
- Monika Messmer, Leitung Gruppe Pflanzenzüchtung
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