Theres Rutz ist Geo- und Agrarwissenschafterin und arbeitet seit drei Jahren am FiBL Schweiz in der Gruppe Beratung & Bildung. (Foto: FiBL, Andreas Basler)
Sandbienen, wie hier die Rotpelzige Sandbiene (Andrena fulva) nisten im Boden an gut besonnten, offenen Bodenstellen. Als Nahrungsquellen fliegt sie Blüten von verschiedenen Pflanzen an. Jedoch hat sie eine Vorliebe für Blüten von Beerensträuchern. (Foto: Albert Krebs)
Bei der Erstellung von Nistgelegenheiten für Wildbienen ist die Verwendung von ungewaschenem Sand – dieser enthält wichtigen Lehmanteil – sehr wichtig. (Foto: FiBL, Theres Rutz)
Theres Rutz ist Geo- und Agrarwissenschafterin und arbeitet seit drei Jahren am FiBL Schweiz in der Gruppe Beratung & Bildung. Im Rahmen von verschiedenen Projekten führt sie gesamtbetriebliche Beratungen durch und engagiert sich für eine zielgerichtete Umsetzung von Biodiversitätsfördermassnahmen im Kulturland. Aktuell beteiligt sie sich an der Neuauflage des Praxis-Handbuchs "Biodiversität auf dem Landwirtschaftsbetrieb".
Die Schweiz ist ein wunderbar vielfältiges Land. Die grosse Diversität an Lebensräumen und Landschaften bildet die Grundlage für eine vielseitig aufgestellte Schweizer Landwirtschaft sowie eine reiche Flora und Fauna – und ist gleichzeitig ein wichtiger Faktor für die Lebensqualität der Bevölkerung. Die verschiedenartigen Interessen an der Nutzung und Gestaltung unserer Landschaft führen aber auch dazu, dass diese immer mehr unter Druck steht. Infolge von Siedlungswachstum, Ausbau der Verkehrswege und intensiver Landwirtschaft werden die übrigbleibenden naturnahen Flächen immer kleiner. Nicht selten verbleiben sie als isolierte Inseln, was das mittelfristige Überleben der Arten gefährdet. Für viele Wildbienenarten etwa, welche ihre Nahrungs- und Nistressourcen in verschiedenen, nah beieinanderliegenden Lebensräumen suchen, sind die Fragmentierung, also die Zerstückelung der Lebensräume, und die sinkende Lebensraumqualität eine unüberbrückbare Hürde. Diese Entwicklung zeigt sich auf der Roten Liste der Wildbienen, auf welcher rund 45 Prozent der gut 600 Wildbienenarten stehen. Rote Listen gelten als Barometer der Artenvielfalt. Nicht nur jene der Wildbienen zeigt, dass das Aussterberisiko für viele Arten gross ist und somit viel Handlungsbedarf besteht.
Diese akute Gefährdungssituation vieler Arten hat Einfluss auf die erbrachten Ökosystemdienstleistungen und betrifft die Schweizer Landwirtschaft stark. Daher engagieren sich viele Landwirt*innen, sei es eigenständig durch die Pflege, Aufwertung oder Neuanlage von Biodiversitätsförderflächen oder im Rahmen von verschiedenen Förderprojekten. Ein Beispiel hierfür ist die Blühflächen-Initiative des Imkerverbands Bienen Schweiz. Hier werden Landwirt*innen mittels Blühpatenschaften bei der Umsetzung von Blühflächen und biodiversitätsfördernden Strukturen wie zum Beispiel Hecken oder Nistgelegenheiten für Wildbienen finanziell unterstützt. Beispielhaft sind auch die Projekte "NaturVerbindet" sowie "Strukturreiche Land(wirt)schaft für Wiesel und Co." der Umweltschutzorganisation WWF, bei welchen aktiv die Öffentlichkeit eingebunden und sensibilisiert wird und gleichzeitig Landwirtschaftsbetriebe bei der zeitintensiven Pflege und Neugestaltung von Fördermassnahmen unterstützt werden. Die Landwirtschaft hat bei Erhalt und Förderung der Artenvielfalt zwar eine Schlüsselfunktion, doch es betrifft die gesamte Gesellschaft. Auch Konsument*innen und Politik müssten dringend eine grössere Verantwortung übernehmen.
Ganz wichtig: Alle können etwas tun! Sei es mit einheimischen Pflanzenarten auf dem Balkon, mit dem stehen gelassenen Efeu, welcher an einem abgestorbenen Baum emporwächst oder mit einem ungemähten Feldrand. Mit blühenden einheimischen Pflanzen als zusätzliche Nahrungsressource im Sommer oder mit Niststrukturen wie angeschnittenen Brombeerstängeln oder offenen, trockenen und gut besonnten Bodenstellen, können eine Vielzahl an Wildbienen sowie weitere Insekten unterstützt werden. Ist das Ziel, auch spezialisierte Arten – die meist auch gefährdet sind – zu fördern, lohnt es sich, die Standortsituation und insbesondere die Bedürfnisse genau zu durchleuchten. Denn es bringt leider nichts, wenn nur ein Teil der benötigten Ressourcen vorhanden ist oder diese zu weit auseinander liegen. So ist eine Wildbienennisthilfe zwar eine nette Beobachtungsmöglichkeit, den seltenen Arten bringt sie jedoch kaum etwas. Denn ein Grossteil von ihnen nistet in selbstgegrabenen Erdgängen.
Für wirksame Massnahmen ist daher die Berücksichtigung des ökologischen Kontextes wichtig. Gerade bei gefährdeten Arten mit hohen Ansprüchen ist dies meist nicht ganz trivial. Auf der Plattform agrinatur.ch, die das FiBL mitverantwortet, finden sich viele Unterlagen und Tipps für biodiversitätsfördernde Massnahmen im Landwirtschaftsgebiet, auf natur-im-siedlungsraum.ch für Massnahmen im Siedlungsraum. Ebenfalls unterstützen und beraten wir gerne Betriebsleiter*innen, falls sie Ideen haben oder motiviert sind, etwas für den Artenschutz zu unternehmen. Denn auch schon kleine Handlungen können viel bewirken und noch nie war es wichtiger, das zu erhalten, was noch ist – denn eine ausgestorbene Art kann nicht wieder zurückgeholt werden.