Die Vielfalt der Arten und Lebensräume bildet die Grundlage für sämtliche Ökosystemleistungen wie z.B. Nahrungsmittelproduktion, Bestäubung, Schädlingsregulation oder fruchtbarer Boden. Die Landwirtschaft spielt eine zentrale Rolle in der Erhaltung der biologischen Vielfalt (Biodiversität). Auf grossen Teilen der Agrarflächen finden jedoch nur noch wenige Arten ausreichende gute Lebensbedingungen. Entsprechend wurde in den letzten Jahren versucht, Landwirtschaftsgebiete ökologisch wieder aufzuwerten. Die bisher angewandten agrarpolitischen Instrumente und Massnahmen zeigen diesbezüglich jedoch zu wenig Wirkung. Hauptursachen für die Biodiversitätsverluste sind der Mangel an BFF in guter Qualität und ihre nicht optimale räumliche Verteilung in der Landschaft und auch die intensiven Anbaumethoden in den Produktionsflächen (Stickstoff-Dünger und Pestizide). Bei der Förderung der Biodiversität spielen die Landwirte/innen eine entscheidende Rolle, da sie bestimmen, wo und welche Massnahmen umgesetzt werden. Ein Instrument, um die Leistungen der Landwirte für die Biodiversität zu quantifizieren hat bisher gefehlt. Mit dem einem gesamtbetrieblichen Bewertungssystem (Punktesystem) kann die Motivation und Eigeninitiative der Landwirte für die Biodiversität gefördert werden. Langjährige Beratungserfahrungen zeigen, dass Biodiversitätsförderung bei einem Teil der Landwirte durchaus auf Interesse stösst. Wissenslücken hindern jedoch viele Betriebsleiter daran, mehr für die Biodiversität auf ihren Flächen zu tun. Eine gesamtbetriebliche und partizipative Beratungsmethode kann diese Wissenslücke schliessen.
Ziel des Projektes "Mit Vielfalt punkten – Bauern beleben die Natur" ist eine naturfreundliche und wirtschaftlich starke Landwirtschaft, welche die Existenz der im Kulturland heimischen Tier- und Pflanzenarten sichert und gleichzeitig der Schweizer Landwirtschaft durch Abgeltung ihrer Naturschutzleistungen einen neuen, an den Standort gebundenen und dadurch exklusiven Einkommenszweig eröffnet.
Im Punktesystem werden über 30 Kriterien berücksichtigt, die sich positiv auf die Biodiversität der Betriebsfläche auswirken. Diese reichen von der Anzahl Nutzungstypen und -parzellen, über die Biodiversitätsförderflächen (BFF) bis hin zu Massnahmen auf Ackerflächen und auf Grünland (z.B. Kleinflächen, Weite Saat, Untersaaten, gestaffelte Mahd). Dazu wurde ein Leitfaden mit Erklärung und Bebilderung aller Massnahmen produziert. Diese Kriterien wurden aufgrund von Erkenntnissen wissenschaftlicher Studien sowie langjähriger praktischer Erfahrungen ausgewählt. Bei der Vergabe der Punkte sind die BFF zentral. Es wird nicht nur der Anteil BFF an der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) bewertet, sondern ebenso deren ökologische Qualität, Strukturvielfalt, Grösse und räumliche Verteilung. Da die Flächengrösse bei der Punktevergabe berücksichtig wird, ist ein Vergleich des Punktetotals grosser und kleiner Betriebe möglich.
Bei 133 Betrieben im Talgebiet wurden die Anzahl Punkte, die angebauten Kulturen, die Biodiversitätsförderflächen und Massnahmen auf der Produktionsfläche erfasst. Von 2009-2011 wurden Pflanzen, Heuschrecken, Tagfalter und Brutvögel kartiert. Die Vögel wurden auf der ganzen Betriebsfläche mit einer Revierkartierung erfasst. Pflanzen und Insekten wurden auf Transketen aufgenommen. Für jede der vier Organismengruppen wurde pro Betrieb die Artenzahl und Dichte (Abundanz) bestimmt. Insgesamt hat sich gezeigt, dass da Punktesystem ein geeignetes Instrument zur Bewertung der Biodiversitätsleistung eines Betriebes ist (Birrer et al. 2014). Die Biodiversitätsleistungen auf einem Betrieb sind mit dem Punktesystem einfach zu erheben. Es ist auch von LandwirtInnen mit wenig Zeitaufwand problemlos ausfüllbar. Zudem lässt sichdas Punktesystem mit den Leitaratenkarten in der Beratung optimal kobinieren. In einer wissenschaftlichen Analyse betrachteten wir den Effekt von BFF, Massnahmen auf der Produktionsfläche, Betriebseigenschaften und der näheren Umgebung auf die Anzahl und Abundanz der Arten auf dem Betrieb differenzierter (Stoeckli et al. 2017). Wir konnten aufzeigen, dass LandwirtInnen mit ihren Massnahmen die Biodiversität positiv beeinflussen können. Als Massnahme mit dem grössten Einfluss erwiesen sich die BFF. Massnahmen auf der Produktionsfläche erhöhen die positiven Effekte. Je mobiler die Artengruppe, desto stärker der Einfluss der Umgebung auf deren Artenzahl und Abundanz. Die Untersuchung konnte bestätigen, dass im Punktesystem die entscheidenden Massnahmen erfasst und richtig gewichtet werden.
Mit Unterstützung durch das FiBL und die Vogelwarte wird das Punktesystem auch schon breit in der Praxis eingesetzt. Zum Einsatz kommt das Punktesystem bei der Optimierung von Bio-Betrieben im Rahmen des Projektes "Förderung der Biodiversität auf Knospehöfen". BIO SUISSE hatte in Zusammenarbeit mit dem FiBL einen dem Punktesystem ähnlichen Massnahmenkatalog Biodiversität entwickelt. Ab spätestens 1.1.2015 mussten alle Knospe-Betriebe mindestens 12 Massnahmen aus diesem Katalog erfüllen. Ein fast identisches Punktesystem wird von der IP Suisse im Rahmen des Migroslabes TerraSuisse eingesetzt. Die neuen Erkenntnisse des Projektes werden auch in die Weiterentwicklung der schweizerischen Agrarpolitik einfliessen.
Im Rahmen dieses Teilprojektes wurden die BetriebsleiterInnen von 22 Betrieben im Jahr 2009 gesamtbetrieblich beraten und seither die Entwicklung der Biodiversitätsförderflächen (BFF) auf diesen Betrieben mit jener einer Gruppe von Betrieben ohne diese Beratung verglichen. Ein konsequent partizipativer, gesamtbetrieblicher Beratungsansatz wurde angewandt, in dem die folgen auf agronomische (Nährstoffbilanz, Futterangebot u.a.) und betriebswirtschaftliche Aspekte sorgfältig mitberücksichtigt wurden. Ein Vergleich zwischen beratenen und nicht beratenen Betrieben nach sechs Jahren (2015) zeigte, dass beratene Betriebe mehr und qualitativ wertvollere BFF anlegen und pflegen als die Vergleichsgruppe. So erreicht der Anteil BFF bei den beratenen Betrieben 15.1 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) und der Anteil BFF mit Qualitätsstufe II 6.1 % der LN. Bei der Vergleichsgruppe sind es nur 10.7 % beziehungsweise 2.6 %. Beratene Betriebe legen auch vielfältigere Typen von BFF und zehnmal mehr wertvolle BFF im Ackerland an. Ausserdem zeigt ein Vergleich der Biodiversitätsbeiträge, dass eine Beratung ökonomische Vorteile bringt. Die Kosten für eine gesamtbetriebliche Beratung können in wenigen Jahren durch die höheren erzielten Beiträge gedeckt werden (Chevillat et al. 2017)
Das neu erstellte Praxishandbuch zeigt auf einfache und verständliche Art, mit welchen Massnahmen die Biodiversität auf der Landwirtschaftsfläche gefördert werden kann. Es enthält viele praktische Hinweise, wie Massnahmen geplant und umgesetzt werden können.
Web-Plattform "Agrinatur - Biodiversität auf dem Landwirtschaftsbetrieb" für sich ändernde Faktoren, Links und Informationen zu Planung, Umsetzung, Erlebnis und Beratung. Auf der Web-Plattform befinden sich auch informative Kurzfilme zu verschiedenen Fachthemen der Biodiversitätsförderung.
Leitartenkarten mit Informationen zu Merkmale, Verhalten, Vorkommen/Verbreitung, Jahreszeitliches Auftreten, Lebensräume und Fördermassnahmen als wertvolles Hilfsmittel für die Beratung.
Mittels qualitativer Interviews und quantitativen Umfragen wurde untersucht, welche Faktoren die Landwirte motivieren, sich für Biodiversitätsförderung zu engagieren. Zusätzlich wurde analysiert, welche Rolle die Beratung in Bezug auf das Verhalten der Landwirte spielt. Berater sollen zukünftig einen Fokus auf die Vermittlung von Sinn und Effektivität der Massnahmen logen und damit Vertrauen aufbauen. Bei allen anderen Einflussfaktoren funktioniert die gesamtbetriebliche Beratung recht gut. Vor allem ausgeprägt bei Faktoren, die mit dem Anteil Biodiversitätsförderfläche korrelieren (Home et al. 2014; Gabel et al. 2018)
2008 bis 2016
Die Abschlusstagung "Landwirtschaft punktet mit Biodiversität" fand am 30. Juni 2017 in Olten statt. Die Vorträge sind auf Organic Eprints verfügbar