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Kerngesund mit wenig Kraftfutter: neue Stiere für die Milchviehzucht

Stier, der sich für die Biozucht eignet

Caro, ein Stier der Rasse Swiss Fleckvieh, entspricht den neuen Biozuchtkriterien hervorragend. Mit im Bild (von links): Projektmitarbeiterin Janine Braun, Projektleiterin Anet Spengler und Landwirt Hans Braun, Mitinitiant des Projekts. (Foto: Marion Nitsch)

Übrig gebliebene Fasern von Kot nach der Auswaschung

Wenn nach dem Auswaschen und Pressen des Kots so wenig Fasern wie auf dem Bild übrigbleiben, ist ein Stier ein guter Verwerter von Raufutter. Bei schlechteren Verwertern kann das Doppelte und Dreifache an Fasern übrig bleiben. (Foto: Marion Nitsch)

Gesunde Kühe und möglichst viel Milch pro Kuh: Das sind die Hauptkriterien in der Milchviehzucht. Wie viel Antibiotika und Kraftfutter dafür nötig sind, wurde bis anhin kaum berücksichtigt. Doch ab Frühjahr 2021 stehen Stiere bereit, die nach neuen, für die Biozucht geeigneten Kriterien ausgewählt wurden – dank einem Projekt von FiBL, Bio Suisse und Swissgenetics.

Wie kommt die Kuh zum Kalb? Neunzig Prozent der Biomilchkühe werden mithilfe von künstlicher Besamung (KB) trächtig. Dafür bringt der Besamer Spermadosen im stickstoffgekühlten Behälter auf den Hof. Aus diesem Kübel wählt die Landwirtin aus über hundert Stieren verschiedener Rassen, dem Standardangebot von Swissgenetics. Zu diesem Angebot gehören ab 2021 die ersten Samendosen von Stieren, die nach Biokriterien ausgewählt wurden.

Es begann mit unzufriedenen Landwirten

Die Kriterien, nach denen Swissgenetics die Zuchtstiere normalerweise auswählt, sind nicht optimal an die Bedürfnisse der Biolandwirtschaft angepasst. Zwar garantieren die Zuchtstiere, dass ihre weiblichen Nachkommen viel Milch geben und in einigen Exterieur- und Gesundheitsmerkmalen gut abschneiden. Doch die Biobetriebe brauchen kleinere, langlebige Kühe mit geringem Kraftfutterbedarf. 2016 ergriffen deshalb 16 Landwirtinnen und Landwirte die Initiative, um das Angebot an Zuchtstieren für die KB zusammen mit Swissgenetics für Biobetriebe zu ergänzen. Drei Jahre später startete das Projekt Aufbau Biomilchviehzucht (Bio-KB).

Strenge Kriterien für die Mutter des Stiers

Langlebigkeit und ausgezeichnete Gesundheit bei angemessener Milchleistung – das sind die wichtigsten Kriterien, welche die Mutter eines zukünftigen Biozuchtstiers erfüllen muss. Die Kriterien haben Landwirte und Zuchtorganisationen gemeinsam festgelegt. Doch auch an die Haltung stellen sie hohe Ansprüche: Die Stierenmutter muss auf einem Biobetrieb leben, im Sommer mindestens die Hälfte ihres Futters auf der Weide fressen, darf nicht mehr als 300 Kilo Kraftfutter pro Jahr erhalten und soll nur im Notfall, maximal einmal im Leben, Antibiotika benötigt haben. "Da die Anforderungen noch strenger als die ohnehin strengen Richtlinien von Bio Suisse sind, scheiden viele Kühe als Stierenmütter aus", sagt Anet Spengler, Projektleiterin und FiBL-Rindviehexpertin. "Doch genau das ist wichtig, dass wir da streng sind. Nur so können wir Zuchtlinien aufbauen, die eine Topleistung ohne viel Kraftfutter erreichen." Rund 400 geeignete Mütter wurden gefunden und bereits einige ihrer Nachkommen, die ebenfalls strenge Kriterien erfüllen müssen, als potenzielle Zuchtstiere aufgezogen: fünf Swiss-Fleckvieh-, vier Braunvieh- und zwei Simmentaler Stierkälber; nur Original-Braune fehlen noch.

Forschung ermittelt Raufutterspezialisten

Die jungen Stiere werden im Projekt von FiBL und Bio Suisse auf weitere Zuchtkriterien geprüft, denen noch nie zuvor Beachtung geschenkt wurde: Frisst der Stier auf der Weide fleissig oder lässt er sich leicht ablenken? Und besonders wichtig: Kann er das Raufutter auch gut verwerten? Dafür wird während der Aufzuchtphase einmal monatlich der Kot jedes Stieres ausgewaschen. Bleiben wenig Fasern übrig, ist das ein Zeichen dafür, dass er das Gras besonders gut verwerten kann. Dieses Kriterium ist für Betriebe in der Schweiz essenziell, da Bio Suisse ab 2022 den Kraftfutteranteil für Wiederkäuer auf fünf Prozent beschränkt. Zum Vergleich: Nach EU-Biorichtlinien sind bis fünfzig Prozent erlaubt.

500 Samendosen pro Stier und Jahr

Bis jetzt erfüllen die beiden Swiss­-Fleckvieh­-Stiere Kingboy und Caro sowie der Braunviehstier Jansrud* die strengen Kriterien. Alle drei wurden von Swissgenetics zur Samenproduktion übernommen. Läuft alles nach Plan, wird jeder Stier dort innerhalb einiger Monate rund fünfzehnmal "springen". Pro Ejakulat können 200 bis 300 Samendosen tiefgekühlt werden. Das Ziel für die kommenden Jahre ist, 500 Dosen pro Stier und Jahr an Betriebe zu verkaufen. Bereits haben auch Züchterinnen aus den Nachbarländern Interesse angemeldet. "Wir hoffen, dass die Landwirte zugreifen", sagt Anet Spengler. "Damit steigen die Chancen, dass das Projekt in die Verlängerung geht und die Auswahl an Biostieren vergrössert und aufrechterhalten werden kann." Der Erfolg des Projekts liegt Anet Spengler am Herzen. Zwar empfehlen die Biorichtlinien, so weit wie möglich den Natursprung zu pflegen. Doch die Haltung eines Stiers ist mit Aufwand und mit Risiken verbunden, weshalb neunzig Prozent der Schweizer Biomilchwirtschaftsbetriebe die KB bevorzugen. Daher ist das Projekt von grosser Tragweite für die Biobewegung.

*Tierverkehrsdatenbank: Nummern 120.1389.4893.6, 120.1486.0583.6 und 120.1528.3857.2

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Anet Spengler Neff 

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