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Aufbau Bio-Milchviehzucht (Bio-KB)

Projekttitel in der OriginalspracheAufbau Bio-Milchviehzucht (Bio-KB)
Abstract

In den letzten Jahrzehnten wurden immer größere und produktivere Milchkühe gezüchtet. Sie eignen sich oft nicht für Bio- und Low-Input-Betriebe. Die meisten Biobetriebe nutzen die künstliche Besamung (KB); daher fehlt ihnen oft die richtige Genetik auf der männlichen Seite. Mit dem Projekt "Bio-KB-Stiere" werden FiBL und Bio Suisse, zusammen mit Swissgenetics, den Zuchtorganisationen und aktiven BiozüchterInnen, das bestehende Angebot an KB-Stieren durch gute Biostiere ergänzen. Eine Gruppe von rund 40 Fachpersonen hat die Auswahlkriterien definiert und veröffentlicht: Die Bullenkälber werden aus gut geführten Biobetrieben in der Schweiz ausgewählt, die ihre Tiere im Sommer vorwiegend weiden und sehr wenig Kraftfutter und Antibiotika einsetzen. Sie stammen aus langlebigen Linien, die nicht groß sind und sehr gute funktionale Merkmale vererben. Es werden 4000 Samendosen von 2x 8 Stieren produziert. Das Ziel ist, 300 Dosen pro Stier und Jahr zu verkaufen. Mit diesen Stieren wird die ökologische Milchviehzucht einen grossen Schritt in Richtung gesunder, langlebiger, rauhfutter verzehren-der Tiere machen, die keine Ackerflächen (außer Gras von Fruchtfolgeflächen) brauchen und so Nährstoffkreisläufe schließen und Emissionen reduzieren.

Detaillierte Projektbeschreibung
  1. Einleitung
    Die Milchviehzucht hat in den letzten Jahrzehnten bei allen Rassen immer grössere und immer leistungsstärkere Kühe hervorgebracht. Seit etwa 15 Jahren spielen funktionelle Merkmale bei den Zuchtzielen und Selektionskriterien eine zunehmend wichtige Rolle: ihre Anzahl und ihre Gewichtungen in den Gesamtzuchtwerten haben bei allen Rassen zugenommen. Trotzdem ist nach wie vor die Steigerung der Produktionsleistung ein wichtiges Zuchtziel bei allen Rassen. Wegen der positiven Korrelation zwischen Milchleistung und Grösse wird mit diesem Zuchtziel weiterhin die Grösse der Tiere gefördert, obwohl dies bei den meisten Rassen nicht mehr erwünscht ist und in einzelnen Gesamtzuchtwerten der Zuchtverbände bereits negativ gewichtet wird (Weidezuchtwert beim Braunvieh; Gesamtzuchtwert bei Swiss Fleckvieh). Die stetigen Zunahmen der Produktionsleistungen und der Grösse der Tiere sind für einen Teil der Milchwirtschaftsbetriebe problematisch, da sie die Fütterung und die Haltung ihrer Tiere nicht an immer höhere Leistungen anpassen können oder wollen. Insbesondere Biobetriebe, die auf eine betriebseigene Futtergrundlage angewiesen sind und nicht mehr als 10% der Jahresration (ab 2022 5%) an Kraftfutter füttern dürfen, sind in dieser Hinsicht eingeschränkt. Diese Einschränkung ergibt sich aber vielerorts auch auf konventionellen Betrieben aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht: Vollweidebetriebe mit geringem Kraftfuttereinsatz arbeiten in der Regel wirtschaftlicher als Hochleistungsbetriebe (Gazzarin et al., 2011; 2018) und viele Betriebe möchten und können nicht uneingeschränkt Nährstoffe in ihren Betrieb einführen. Zudem ist aus mehreren Studien bekannt (Horan et al., 2005; Thomet und Steiger Burgos, 2007; Schori und Münger, 2009; Conington et al., 2010), dass sich kleinere Kühe besser für die Milchproduktion auf der Weide eignen als grosse.
    Die Zuchtziele der Zuchtorganisationen und Genetikanbieter, die sich unter anderem in den gezielten Paarungen und in dem daraus resultierenden Angebot an KB-Stieren zeigen, passen aber bei den Rassen Red Holstein und Holstein und oft auch bei den Rassen Braunvieh und Swiss Fleckvieh immer weniger gut zu denjenigen Betrieben, die mit wenig Aufwand und wenig Zukauf von Produktionsmitteln mittelgrosse Zweinutzungskühe mit mittleren Milchleistungen und angemessenen Fleischleistungen züchten möchten. Diesen Betrieben fehlt oft die passende Genetik auf der männlichen Seite.Es ist zu beobachten, dass die Milchviehhaltung immer stärker in zwei unterschiedliche Richtungen weiterentwickelt wird: einerseits in Richtung hoher Milchleistung mit präziser Fütterungstechnik und Zukauf von Futterkomponenten und andererseits in Richtung geringer Kosten, geringer Arbeitszeiten („low input“), mittlerer Leistungen mit Raufutter, Zweinutzung und ökologischer Ausrichtung. Aufgrund des hohen Graslandanteils in unserem Land und wegen des entsprechenden politischen Willens, diesen effizient zu nutzen (Programm zur graslandbasierten Milch- und Fleischproduktion „GMF“ des Bundes) ist die Schweiz für das zweite Konzept prädestiniert. Deshalb ist es nötig, dass die passende Genetik für das zweite Betriebskonzept mindestens gleichermassen zur Verfügung steht wie für das erste. Dies bedeutet, dass in Zukunft nicht mehr nur die bereits zur Verfügung stehenden KB-Stiere nach ausgewählten „Bio-Kriterien“ bewertet werden sollten (wie z.B. mit dem Kleeblatt-Label oder dem Weidezuchtwert oder dem Gesamtzuchtwert der IG neue Schweizer Kuh), sondern dass auch neue Stiere ausgewählt werden sollen aus Zuchtlinien, die bereits auf low-input-Betrieben gezüchtet worden sind und die selbst unter solchen Bedingungen beurteilt wurden. Neue Arbeiten aus Neuseeland (Gregorini et al., 2015; Gregorini et al., 2017) zeigen, dass Kühe, die als Kälber selektioniert wurden aufgrund ihrer Effizienz im Fressverhalten, auch als ausgewachsene Tiere in ihrem Weideverhalten effizienter sind: sie gehen mehr, um zu fressen und laufen weniger ohne zu fressen umher, sie verbrauchen beim Weiden weniger Energie, haben intensivere Wiederkäuperioden und es sind weniger unverdaute grobe Fasern in ihrem Kot zu finden als bei den anderen Tieren. Es ist bekannt, dass solche Verhaltenseigenschaften erblich sind (Gregorini et al., 2017); deshalb sollen in diesem Projekt nicht nur Stierenmütter mit guten Weideeigenschaften und sehr guten funktionalen Merkmalen und guten Raufutterleistungen ausgewählt werden, sondern auch die jungen Stiere selbst werden in ihrem Fressverhalten und auch in ihren Tageszunahmen und in ihrem Exterieur beurteilt. Diese Merkmale werden kombiniert mit den vorhandenen Informationen aus der genomischen- und der Abstammungs-Zuchtwertschätzung.
    Mit dem hier skizzierten Projekt möchten Bio Suisse und FiBL zusammen mit Swissgenetics, den Zuchtorganisationen und weiteren Partnerorganisationen und aktiven Züchterinnen und Züchtern das bisherige Angebot an KB-Stieren um solche Stiere erweitern, die für Bio-Betriebe und für alle low-input-Betriebe interessant sind.
  2. Zielsetzungen
    Ab dem Jahr 2021 stehen Samendosen von guten Bio-Stieren der Rassen Braunvieh (BV), Original Braunvieh (OB), Swiss Fleckvieh (SF) und Simmentaler (SI) allen Milchwirtschaftsbe-trieben in der Schweiz zur Verfügung. Diese Stiere stammen von gut geführten Bio-Zuchtbetrieben in der Schweiz, mit vorwiegend Weidefütterung im Sommer und sehr geringem Einsatz von Kraftfutter und Antibiotika. Sie weisen sehr gute Zuchtwerte in den funktionalen Merkmalen auf und vererben mittlere Grössen und mittlere Milchleistungen. Es sollen 4000 Samendosen pro Stier produziert und mindestens 300 davon pro Jahr verkauft werden.
  3. Tiere, Material und Methoden
    Zunächst wird ein Konsortium gebildet aus zehn bis fünfzehn Züchtern / Züchterinnen und je einer bis zwei Personen der Partnerorganisationen (FiBL, Bio Suisse, Swissgenetics, Plantahof, Swissherdbook, Braunvieh Schweiz, IG neue Schweizer Kuh). Dieses Konsortium legt die Kriterien fest, nach welchen Stiere der Rassen BV, OB, SF und SI ausgewählt werden sollen. (Die Rassen RH und HO werden nicht berücksichtigt, da diese praktisch nur noch für die Hochleistungsstrategie eingesetzt werden.) Diese Kriterien beinhalten einerseits Merkmale der Vorfahren dieser Stiere (vor allem gute funktionale Merkmale, gute Lebensleistung) und andererseits Parameter der Betriebe, auf denen die Vorfahren dieser Stiere leben (wenig oder keine Kraftfuttergaben, standortgerechte Fütterung, Weidegang, minimaler Antibiotikaein-satz). Die genomischen Zuchtwerte und die Abstammungszuchtwerte der Stiere werden auch berücksichtigt.
    Nachdem diese Kriterien feststehen, werden in den Datenbanken der Zuchtorganisationen mögliche Stierenmütter auf Biobetrieben gesucht, die einen grossen Teil dieser Kriterien erfüllen. Zudem werden Aufrufe in den landwirtschaftlichen Medien organisiert, sodass sich Betriebe melden können, die entsprechende Tiere haben. Aus diesen Tieren (Stierenmütter und Stiere und Stierkälber) wählt eine Delegation von jeweils zwei Personen des Konsortiums die geeigneten aus (Betriebsbesuche): es sollen zunächst 5 bis 10 BV-, 5 bis 10 OB-, 5 bis 10 SF- und 5 bis 10 Si- Stierkälber (oder Stierenmütter für die gezielte Paarung) ausgewählt werden. Die BV- und OB-Kälber werden auf dem Gutsbetrieb des Landwirtschaftlichen Bildungszentrums Plantahof, Landquart, Graubünden aufgezogen, die SF-Kälber (und später auch die SI-Kälber) auf dem Biobetrieb von Stefan Rindisbacher. Die Stierkälber werden auf dem Geburtsbetrieb mit Milch und Heu / Emd aufgezogen und kommen im Alter von 5 Monaten, wenn sie abgetränkt sind, auf die beiden Aufzuchtbetriebe. Sie werden dann vom Projekt Biozucht gekauft. Diese Tiere werden kurz nach der Geburt und danach alle vier Monate einer Eigenleistungsprüfung in folgenden Merkmalen unterzogen: Exterieurmerkmale, Tageszunahme, Verhalten (Fressverhalten, Sozialverhalten), Krankheitsinzidenzen. Im Alter von einem Jahr werden sie linear beschrieben. Das Konsortium legt die Kriterien fest, denen diese Tiere in der Eigenleistungsprüfung genügen müssen. Tiere, die die nötigen Leistungen nicht erbringen, werden verkauft oder ausgemästet.
    Diejenigen Stierkälber, die die Eigenleistungsprüfung bestehen und ausgewählt werden, werden im Alter von ca. 12 Monaten an Swissgenetics verkauft. Swissgenetics kauft je zwei BV-, zwei OB-, zwei SF- und zwei SI- Stiere. Sofern das Ejakulat qualitativ gut ist, werden mindestens 4000 Samendosen von jedem dieser Stiere hergestellt. Diese Stiere durchlaufen das übliche Prüfstierenprogramm bei Swissgenetics. Ihre Samendosen stehen danach im Standardangebot zur Verfügung. Die Stiere können anschliessend von den vorherigen Besitzern oder Züchtern von Swissgenetics gemietet, aber nicht zurückgekauft werden. Die Zusammenarbeit zwischen Swissgenetics und dem Projekt Biozucht, die jeweiligen Rechte, Pflichten und Abgeltungen werden separat in einem Vertrag geregelt.
    Alle Partnerorganisationen dieses Projektes informieren die Züchterschaft im Voraus darüber. Sie klären ab, wie sich der Bedarf für solche Samendosen entwickeln könnte und sie machen gemeinsam Werbung für diese Samendosen. Es wird ein separater Online-Katalog mit diesen Stieren erstellt. Die Samendosen werden von Swissgenetics im Standardangebot verkauft und vertrieben, auf den etablierten Wegen, zu einem vereinbarten Preis, der im üblichen Rahmen liegt (ca. 40 CHF pro Dose). Die Daten der Nachkommen dieser Stiere werden auf den üblichen Wegen gesammelt, ausgewertet und publiziert. Die Partnerorganisationen dieses Projektes engagieren sich für eine prominente Publikation dieser Ergebnisse in der Landwirtschaftspresse.
  4. Literatur
  • Conington, J., Gibbons, J., Huskell, M.J., Bünger, L., 2010: The use of breeding to improve animal welfare. In: Gesellschaft für Tierzuchtwissenschaften (Hrsg.): 9th World Congress of Genetics Applied to Livestock Production (WCGALP), Leipzig, Deutschland, 1.- 6. August 2010
  • Gazzarin, C., Frey H.J., Petermann, R., Höltschi, M. (2011): Weide- oder Stallfütterung – was ist wirtschaftlicher? Agrarforschung Schweiz 2(9): 418-423
  • Gazzarin, C., Haas, T., Hofstetter, P., Höltschi, M., 2018: Serie Systemvergleich Hohenrain II: Milchproduktion: Frischgras mit wenig Kraftfutter zahlt sich aus. Agrarforschung Schweiz 9(5): 148-155
  • Gregorini, P., Waghorn, G., Kuhn-Sherlock, B., Romera, A., Macdonald, K., 2015: Short communication: grazing pattern of dairy cows that were selected for divergent residual feed intake as calves. Journal of Dairy Science 98, 6486–6491
  • Gregorini, P., Vilalba, J. J., Chilibroste, P., Provenza, F. D., 2017: Grazing management: setting the table, designing the menu and influencing the diner. Animal Production Science 57, 1248-1268
  • Horan, B., Dillon, P., Faverdin, P., Delaby, C., Buckley, F., Rath, M., 2005: The interaction of strain of Holstein-Friesian cows and pasture-based feed systems on milk, body weight and body condition score. Journal of Dairy Science, 88:1231-1243
  • Schori, F., Münger, A., 2009: Vergleich von neuseeländischen und “einheimischen” Holsteinkühen in erster Laktation unter Vollweide auf einem Biobetrieb. In: Mayer, J.  et al. (Hrsg.): 10. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau, Zürich, Schweiz 11.-13. Februar 2009, Band 2:123-126
  • Thomet, P., Steiger Burgos, M., 2007: Kuhtyp für graslandbasierte Milchproduktion. Agrarforschung Schweiz, 14(9):412-417
Finanzierung/ Donor
  • Bio Suisse
  • Stiftung Edith Maryon
  • Stiftung Dreiklang
  • Tierzuchtfonds der Zukunftsstiftung Landwirtschaft
  • Eigenleistungen von Swissgenetics, Braunvieh Schweiz, Swissherbook
(Forschungs-)Programm
  • Sonstige Programme
Projektpartner
  • Bio Suisse
  • Swissgenetics
  • Braunvieh Schweiz
  • Swissherbook
  • IG neue Schweizer Kuh
FiBL Projektleitung/ Kontakt
FiBL Mitarbeitende
Rolle des FiBL

Projektleitung

FiBL Projektnummer 50110
Änderungsdatum 02.09.2020
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