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"Hülsenfrüchte bringen Vielfalt auf den Acker und den Teller"

Sack und Hände mit trockenen Erbsen.

Die Vielfalt an Hülsenfrüchten ist gross, Erbsen gehören zum Beispiel dazu. (Foto: FiBL, Maike Krauss)

Acker mit einer Reihe kleiner grüner Pflanzen.

Auch in der Schweiz gibt es an manchen Standorten gute Bedingungen für den Anbau von Soja. (Foto: FiBL, Matthias Klaiss)

Pflanzenwurzel mit kleinen weissen Kügelchen.

Leguminosen leben in Symbiose mit Knöllchenbalterien und können so Luftstickstoff im Boden binden. (Foto: FiBL, Hansueli Dierauer)

Im Kalender der Vereinten Nationen (UN) ist der 10. Februar der Internationale Tag der Hülsenfrüchte. Er bietet Gelegenheit, auf den wertvollen Beitrag der Hülsenfrüchte im Hinblick auf eine nachhaltige Landwirtschaft und die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN bis 2030 hinzuweisen. Weshalb wir unsere Anbau- und Ernährungsgewohnheiten überdenken sollten, erklärt Matthias Klaiss von der Gruppe Anbautechnik Ackerbau am FiBL Schweiz.

Zu Hülsenfrüchten stehen viele in unserer Kultur wie Kinder zu Spinat und Rosenkohl: Alle wissen, dass sie gesund wären und auf den Speiseplan gehörten, aber von Herzen gern hat man sie irgendwie nicht. Warum?

Ich bin mir nicht sicher, ob man das so generell sagen kann. Es kommt immer darauf an, was man daraus macht. Es gibt immer mehr Menschen, die Hülsenfrüchte wiederentdecken. Man findet viele Rezepte für leckere Gerichte. Und man kann sich auch in Restaurants inspirieren lassen, die solche Gerichte kochen. Oder auf Reisen. Langsam finden die Hülsenfrüchte den Weg zurück in unser kulinarisches Repertoire, inspiriert durch die vielfältigen Rezepte aus aller Welt und die vielen neuen Produkte. 

Auf der Nachfrageseite beobachten Sie also einen Aufschwung. Wie sieht es aus auf Seiten der Produktion, speziell im Biolandbau in der Schweiz?

Der Bioanbau und der Konsum in der Schweiz weiten sich immer weiter aus. Es arbeiten viele Menschen hart daran, das zu entwickeln. Unlängst hat sich zum Beispiel ein Verein "Schweizer Hülsenfrüchte" gegründet. Allmählich erkennt man, dass Hülsenfrüchte Vielfalt auf den Acker und den Teller bringen. Sie enthalten viel Protein und andere wertvolle Inhaltsstoffe und können in der Ernährung daher gut als Ersatz für tierischem Eiweiss dienen. Schauen wir zehn Jahre zurück, wird heute allgemein mehr über Körnerleguminosen, so der Fachbegriff, gesprochen. Der Fleischkonsum geht tendenziell zurück, die Leute wollen sich gesünder ernähren und die Umwelt schonen. Recht so. 

Tofu statt Trute – woher kommt diese Entwicklung?

Es steigt das Bewusstsein dafür, dass man Hülsenfrüchte vielseitig zu sich nehmen kann. Immer mehr Firmen bieten Produkte aus Hülsenfrüchten an, wie etwa Ersatzfleisch aus Erbsen oder Produkte wie Hummus aus Erbsen oder Kichererbsen oder Tempeh aus Soja. In Asien hat das Kochen mit Hülsenfrüchten eine jahrtausendealte Tradition. Auch in der Schweiz waren solche Ernährungsformen früher verbreitet. Und das kommt heute allmählich wieder. Fleischgenuss wurde immer mit Wohlstand gleichgesetzt.

Steht das nicht im Widerspruch zur Förderung von Schweizer Fleisch? Allein in die Kampagne "Schweizer Fleisch" (Alles andere ist Beilage) fliessen über fünf Millionen Franken jährlich?

Es wäre schön wenn die Hülsenfrüchte auch mehr Förderung bekommen würden. Immerhin gibt es nun Direktzahlungen auch für Hülsenfrüchte für die menschliche Ernährung und nicht nur für Tierfutter. Auf der anderen Seite schlagen die Gesundheitsfachleute beim Bund mit der erneuerten Ernährungspyramide vor, weniger Fleisch und mehr pflanzliches Eiweiss zu essen. Was niemand ignorieren kann, sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse: Es ist einfach gesünder, weniger Fleisch zu essen. Ausserdem sind Leguminosen viel besser für die Umwelt und fürs Klima. Fleischproduktion verschlingt enorme Ressourcen. Auf 60 Prozent der Ackerfläche in der Schweiz wird übrigens Tierfutter angebaut. 

Kann der Internationale Tag der Hülsenfrüchte für solche Überlegungen eine Plattform bieten? 

Ja, durchaus. Es ist wichtig, dass man zu diesem Thema genügend kommuniziert. Es geht um Awareness. Alle Akteurinnen und Akteure sind aufgefordert, mitzuwirken. So erreicht man, dass die Medien auf diesen Tag hin die wichtigen Fakten aufgreifen und weiterverbreiten. Aber es gibt auch sonst, übers Jahr hinweg, viele Aktivitäten in der Schweiz, die den Hülsenfrüchten zugutekommen. Auch am FiBL gibt es viele Projekte und Initiativen zu dem Thema. 

Welche Leguminosen sind bei uns im Anbau Allrounder?

Eine der Erfolgsgeschichten ist Soja, die auch in der Schweiz gezüchtet wird. Für die Menschen wird es hauptsächlich zu Tofu verarbeitet. Auch für die Tiere steigt der Anbau zusehends, nachdem die Preise attraktiver gestaltet wurden und die Knospe-Betriebe (Knospe = das Label von Bio Suisse, dem Dachverband der Schweizer Biobäuerinnen und -bauern, Anm. d. Red.) nur noch Schweizer Futter für ihre Kühe verfüttern dürfen. Als Viehfutter werden Erbsen, Ackerbohnen und vor allem Soja angebaut, auch Lupinen. Für die menschliche Ernährung kultiviert werden Soja für Tofu und andere Produkte sowie die sogenannten Auskernbohnen, also Ackerbohnen, Erbsen und Süsslupinen. 

Welche Kulturen sind eher anspruchsvoll?

Es werden auch Linsen im Biolandbau angebaut, derzeit auf zirka 60 Hektaren. Diese Kultur ist eher anspruchsvoll, die Reinigung ist aufwendig, die hohen Qualitätsansprüche sind nicht leicht zu erfüllen.  Das gilt generell wenn man für menschliche Ernährung produziert. Bei der Kichererbse dasselbe; es gibt Versuche, das Interesse ist hoch. Das Schweizer Klima und die verfügbaren Sorten passen nicht ganz zueinander. Aber langsam zeichnet sich ab, dass es angepasstere Sorten geben könnte. Im Moment liegen die Hoffnungen auf einer tschechischen Sorte. Zum Verarbeiten und kochen eigenen sich Körnererbsen übrigens genauso. Und die gedeihen prächtig in der Schweiz.

Neben der Sortenwahl und den Witterungsverhältnissen: Welche Faktoren spielen für eine gelungene Ernte sonst noch eine Rolle? 

Bei all den Erfolgen mit den Hülsenfrüchten kommt eine weitere Herausforderung hinzu: Mit der zunehmenden Klima-Erwärmung fühlen sich neue Insekten, Käfer, Wanzen und Falter in der Schweiz wohl. Sie nutzen die Hülsenfrüchte auch gerne als Nahrungsquelle und erschweren so den Anbau. Diese Schädlinge sind ein grosses Problem und können die Qualität der Ernte massiv schmälern.

Sehen wir uns hier nicht mit einer paradoxen Situation konfrontiert: Je mehr der Klimawandel unser Wetter aufheizt und für Trockenheit sorgt, desto besser spriessen Hülsenfrüchte auch bei uns? 

Die Wahrheit ist komplexer, als man sich das so spontan vorstellt. Sorgt der Klimawandel momentan bei uns für mehr Wärme, könnte man theoretisch immer weiter nördlich auch noch Soja und anderes anpflanzen. Aber wir haben wegen des Klimawandels auch die vielen Extremwettersituationen, die sehr wohl ein grosses Problem sind. Die Landwirtschaft ist stark vom Wetter abhängig und erlebte dadurch Höhen und Tiefen. Jetzt aber sind diese Extreme viel ausgeprägter. Diese Extreme machen der landwirtschaftlichen Produktion sehr zu schaffen, das Anbaurisiko für viele, ja für alle Kulturen steigt. Die Klagen über grosse Ausfälle und verminderte Ernten steigen an, was in der Folge auch die Preise der Waren im Handel anheben könnte.

Der Anbau von Hülsenfrüchten weist in der Schweiz also eine gewisse Komplexität auf? 

Wir sind am FiBL in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl von Partnern seit mehreren Jahren intensiv mit solchen Fragen beschäftigt. Und viele andere Organisationen auch. Immer wieder gibt es Praxisversuche, etwa gemeinsam mit Biofarm und Bio Suisse. Wir schauen, wie sich zum Beispiel der Anbau von Kichererbsen optimieren lässt. Oder wir legen Demoversuche mit verschiedenen Sojasorten an, um den Anbau populärer zu machen. Oder wir untersuchen die Anbaueignung von Mischkulturen von Leguminosen und Getreide. Oder testen Ackerbohnensorten im Anbau und degustieren sie, um herauszufinden wie sie schmecken.

Können Sie Beispiele machen für aktuelle Projekte?

In einem vom Bund geförderten Projekt (EVASION) in Zusammenarbeit mit Agroscope und der Delley Samen und Pflanzen AG (DSP) werden Methoden entwickelt, mit denen man trockenheitstolerante Sorten erkennen kann. Die Produzentinnen und Produzenten sollen von solchen Forschungen profitieren. Wir wirken auch bei EU-Projekten mit; eines davon namens LEgumES nimmt die Ökosystemleistungen der Körnerleguminosen unter die Lupe. Darin versucht man zu beziffern, was deren Anbau an bisher nicht quantifizierten Vorteilen auf allen Ebenen bringt. Das reicht von der menschlichen Gesundheit über den Wert der blühenden Leguminosen für Insekten bis hin zur Düngung der Böden – denn Hülsenfrüchte nehmen Stickstoff aus der Luft und geben ihn mit Hilfe von Bakterien an den Boden ab – und vielem mehr. In einem anderen Projekt wird die Wertschöpfung von Lupinen optimiert. 

Interview: Beat Grossrieder

Weitere Informationen

Das FiBL arbeitet in den Bereichen Anbau und Verarbeitung bereits seit vielen Jahren mit Züchter*innen, Saatgutproduzent*innen, Biolandwirt*innen, Futtermühlen, Verarbeitungsunternemen und anderen Forschungseinrichtungen in nationalen und internationalen Projekten zum Thema Körnerleguminosen. Ziel dabei ist, dass Soja und heimische Körnerleguminosen wie Erbsen, Ackerbohnen und Süsslupinen in der hiesigen biologischen Land- und Ernährungswirtschaft einen festen Platz bekommen und dass sie für die tierische und menschliche Ernährung als Alternative zu importierten Eiweissquellen oder als Rohstoffe für innovative Produkte eine Verwendung finden. Seit 2019 werden vom FiBL Schweiz Kurse angeboten, in denen die Teilnehmenden alles zur Verarbeitung von Sojabohnen zu Tofu und anderen Produkten lernen können. Ausserdem gibt es im FiBL Shop Publikationen zum Thema, die meist kostenlos zum Download bereitstehen und teils auch in gedruckter Form erhältlich sind.

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