Robert Hermanowski ist Agrarökonom und seit 1985 in Deutschland im Biolandbau engagiert. 2000 hat er das FiBL Deutschland mitgegründet und ist seit 2002 dessen Geschäftsführer.
Mein erster Kontakt mit dem FiBL…
... war Mitte der 90er-Jahre. Mit einer "Betriebsmittelliste" hatte die kleine Schweiz etwas erreicht, das wir in Deutschland (noch) nicht geschafft hatten. Imponierend, da sollte man in Zukunft genauer hinschauen.
Gemeinsam gegen Gentechnik
Nachdem es Anfang der 90er-Jahre durchaus noch eine Diskussion gab, ob die neue Technologie Gentechnik nicht auch einen Platz im Biolandbau haben könnte, wurde darin Ende der 90-er Jahre eine Gefahr für den Biolandbau gesehen: Wie Verunreinigungen vermeiden? Gibt es zukünftig noch Zusatzstoffe ohne Gentechnik? Geht eine Koexistenz von Gentechnik und Biolandbau? Um die Herausforderungen anzugehen, haben wir damals in Deutschland die Arbeitsgemeinschaft Lebensmittel ohne Gentechnik (ALOG) gegründet und beim FiBL angefragt, ob es sich beteiligt.
Mein erster Besuch in Frick…
… ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Zuerst: erstaunlich flach, höchstens hügelig, mit der Schweiz verbindet man dann doch Berge. Dann: Ein eigenes Institut für den Biolandbau, sehr beeindruckend. Und: Der Direktor empfängt uns höchstpersönlich und bietet uns ein "Du" an, sehr überraschend. Ergebnis des Besuchs: Das FiBL macht bei der ALOG mit.
Gründung des FiBL Deutschland: Nicht alle waren begeistert
Die Gründung des FiBL Deutschland (hiess zuerst FiBL Berlin) im Jahr 2000 war von grosser Skepsis begleitet. Die deutschen Bioverbände beäugten kritisch, dass sich da etwas entwickelt, auf das sie nur wenig Einfluss haben. Aber auch in der Gründungsgruppe gab es Diskussionen, ob man nicht seine Eigenständigkeit aufgibt, wenn man sich dem grossen FiBL anschliesst. Und in Frick gab es skeptische Stimmen, die befürchteten, dass der gute Ruf leiden könnte, wenn etwas Neues unter dem Namen FiBL entsteht.
Die kleine Schwester emanzipiert sich
Das Verhältnis von FiBL Schweiz und FiBL Deutschland lässt sich wohl am besten mit einer Geschwisterbeziehung vergleichen. Sehr viele Gemeinsamkeiten, sehr viel Vertrauen, man kennt sich eben schon sehr lange. Und: Die Jüngere bleibt immer die kleine Schwester, auch wenn sie schon längst erwachsen ist. Aber wie auch immer: Geschwister halten zusammen, und haben sich auch meistens lieb.
Früchte der Zusammenarbeit…
… gibt es sehr viele. So hat das FiBL Schweiz uns massgeblich unterstützt, einen eigenen Tierbereich aufzubauen. Bei der Beurteilung von Betriebsmitteln haben wir zusammen eine führende Rolle. Die Gründung von FiBL Europe haben wir gemeinsam vorangetrieben. Die Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau 2023, die vom FiBL Deutschland betreut wurde, fand in Frick statt. Die Liste liesse sich auf der Basis von mehr als 20 Jahren Zusammenarbeit beliebig erweitern.
Was ich der grossen Schwester wünsche
Welche grosse Schwester wünscht sich schon Ratschläge der jüngeren, ich versuche es trotzdem mal. Zuerst wünsche ich dem FiBL Schweiz, dass es weiter grosses Selbstbewusstsein hat, es damit aber auch nicht übertreibt. Eine realistische Einschätzung der eigenen Bedeutung ist wichtig, um sich inhaltlich und strukturell richtig aufzustellen und sich in Netzwerke zu integrieren. Weiterhin wünsche ich dem FiBL Schweiz, dass es angesichts des grossen Wachstums die richtige Balance zwischen Kreativität und Flexibilität und einer erforderlichen Bürokratisierung hinbekommt.
Mehr Europa wagen
Wie auch immer, Schweiz oder Deutschland, Nationalitäten werden immer unbedeutsamer, wir müssen europäischer werden. Lasst uns mehr Europa wagen und intensiv an FiBL Europe arbeiten.