Die Laufstallhaltung von Milchkühen auf freier eingestreuter Liegefläche bedeutet hohen Liegekomfort für die Tiere. Jede Liegeposition kann eingenommen werden und die Strohunterlage entspricht den Bedürfnissen der Kühe beim Liegen, aber auch bei anderen Verhaltensweisen, wie Lokomotion und Komfortverhalten.
Allerdings führt eine freie Liegefläche mit begrenztem Platzangebot zu häufigem Auftreiben von liegenden rangniederen Tieren und kann damit zu erheblicher Unruhe im Liegebereich führen. Dies gilt insbesondere für horntragende Kühe. Aufgrund der Hörner haben die Tiere einen größeren Respekt voreinander und rangniedere Tiere weichen frühzeitig vor ranghohen Tieren aus. Dies verstärkt den negativen Effekt der freien Liegefläche und kann das Wohlbefinden beeinträchtigen – insbesondere der rangniederen Tiere – sowie den Strohverbrauch bzw. die Verschmutzung der Tiere erhöhen.
Da die Enthornung von Milchkühen aus Gründen des Tierschutzes, insbesondere in ökologisch geführten Betrieben, nach Möglichkeit vermieden werden soll, ist es Ziel der vorliegenden Arbeit, die Haltungsbedingungen für horntragende Kühe zu verbessern.
Hierzu wurde auf fünf Laubstallbetrieben mit freier Liegefläche und behornten Milchkühen untersucht, inwieweit sich eine Strukturierung der Liegefläche auf das Sozialverhalten, die Integumentläsionen, das Ruheverhalten, die Verschmutzung der Tiere und den Strohverbrauch auswirkt. Das Sozialverhalten wurde mittels Direktbeobachtungen und das Ruheverhalten durch Videoaufnahmen erhoben.
Als Strukturierung dienten drei zu einer Y-Form aufgestellte Holzwände (von je 2.50 m Länge und 1.50 m Höhe). Die Beobachtungen erfolgten jeweils 4 x 24 Std. ohne Strukturierung und 4 x 24 Std. mit Strukturierung, wobei es eine Eingewöhnungszeit an die Strukturierung von 6 Tagen gab.
Mit Hilfe von gemischten linearen Modellen fand eine Analyse der Daten aller Betriebe zusammen statt. Hierbei wurde untersucht, welche Faktoren die Unterschiede zwischen dem Sozialverhalten, den Läsionen, dem Ruheverhalten und den Verschmutzungen sowie dem Strohverbrauch in den beiden Beobachtungsblöcken erklären. Die Zielvariablen waren die jeweiligen Beobachtungen zum Verhalten, zu den Läsionen (Verletzungen) und zu den
Verschmutzungen der Tiere. Als erklärende Variablen wurden die Struktur (mit oder ohne), der Rang der Tiere (hoch, mittel oder tief) und die Interaktion zwischen Rang und Struktur sowie als zufällige Variable das Tier, geschachtelt im Betrieb bzw. der Betrieb herangezogen.
Der Anstieg der Integumentläsionen (gesamt) an den Kühen war ohne Struktur signifikant geringer gegenüber der Situation mit Struktur (p < 0.05), wobei dies nach Körperhälften betrachtet nur für die linke Seite zutraf. Auch im vorderen Bereich der Kuh war eine Zunahme mit der Struktur (p < 0.05) festzustellen. Andere Körperzonen zeigten keine signifikanten Veränderungen bezüglich der Struktur.
Bezüglich dem Sozialverhalten zeigte sich, dass die agonistischen Aktionen (gesamt) im gesamten Liegebereich signifikant seltener in der Variante mit Struktur auftraten als ohne Struktur (p < 0.05). Dies galt auch für die agonistischen Aktionen ohne Körperkontakt, während bei denen mit Körperkontakt kein Einfluss der Strukturierung festgestellt werden konnte. Allerdings war bei den ranghohen Tieren dieser Zusammenhang nicht vorhanden (ohne Körperkontakt) oder leicht gegenläufig (gesamt).
Beim Ruheverhalten wurde zwischen Tag- und Nachtzeiten unterschieden. Hierbei lagen die Tiere nachts mit einer Strukturierung signifikant länger als ohne Strukturierung (p <0.05). Dies galt insbesondere für die ranghohen und die rangmittleren Tiere (p < 0.05). Eine deutliche Erhöhung des Liegeanteils war bei allen drei Ranggruppen auf demjenigen Betrieb (Betrieb 3) gegeben, bei dem der Ausgangwert ohne Struktur besonders niedrig lag. Auch die Verschmutzung der Tiere nahm mit Strukturierung weniger zu als ohne Strukturierung (p< 0.05)
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie lassen einen positiven Effekt der Strukturierung der freien Liegefläche bei behornten Milchkühen auf das Ruheverhalten nachts, teilweise (je nach Rang der Tiere) auf das Sozialverhalten und auf die Verschmutzung erkennen, wobei diese im Schnitt eher gering, je nach Betrieb jedoch teilweise deutlich bis vernachlässigbar waren. Allerdings war auf die Integumentläsionen meist ein negativer Effekt zu verzeichnen. Die Effekte scheinen von der jeweiligen Liegeflächen-Form und Ausgangssituation (bezüglich Unruhe in der Herde) beeinflusst zu sein. Die Ergebnisse sind somit nicht ganz eindeutig und es lassen sich keine einfachen, allgemeingültigen Beratungsempfehlungen für die Praxis ableiten. Die betriebsspezifischen Unterschiede bezüglich Stallbau, Herdenzusammensetzung und Ausgangssituation müssen hier Berücksichtigung finden. Auch besteht weiterer Forschungsbedarf, um den großen Unterschieden zwischen den Betrieben besser Rechnung zu tragen und die Beratungsgrundlage zu verbessern.
Stiftung Karl Zeeb,
Stiftung Graf Fabrice von Gundlach und Payne,
Vier Pfoten,
Stiftung Dreiklang,
Mahle Stiftung,
Bundesministerium für Gesundheit Österreich
Ao.Univ.Prof. Dr. Susanne Waiblinger, Institut für Tierhaltung und Tierschutz, Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin, Veterinär-medizinische Universität Wien (Projektleitung)
Dr. Christoph Menke, Verein zur Erforschung artgerechter Tierhaltung e.V., Regensburg, Deutschland