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"Vielfach wird überflüssig Biodiversität zerstört"

Stimmen zur Biodiversität

Franz Steiner ist auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen. Nach seiner landwirtschaftlichen Lehre studierte er am Technikum für tropische Landwirtschaft in Basel, hatte diverse Anstellungen als Entwicklungshelfer und war ab den 1990er-Jahren in der Schweiz unter anderem als Biokontrolleur und Landwirtschaftsberater tätig. Auch mit 70 Jahren arbeitet er noch am FiBL und ist seit kurzem im Vorstand des Bioforums Schweiz. Seit vielen Jahren engagiert er sich für die Biodiversität.

Warum engagieren Sie sich so stark für Biodiversität?

Franz Steiner: Mein ältester Sohn hat eine kognitive Schwäche. Als meine Frau schwanger war, wohnten wir in Peru am Rand eines Baumwollfelds, wo unter anderem regelmässig das Insektizid Blei-Arsen gespritzt wurde, teilweise mit dem Flugzeug. Auch das berüchtigte Herbizid Paraquat (Produktname Gramoxon, Anm. d. Red.) wurde dort noch eingesetzt. Die Dimension des Problems habe ich erst begriffen, als der Zürcher Professor Ernst Keller von der ETH zu Besuch kam. Er fiel aus allen Wolken, als er die Flieger sah. Die Beeinträchtigung unseres Sohnes hat mit ziemlicher Sicherheit mit diesen Pestiziden zu tun. Dass diese Effekte bis heute teilweise ignoriert werden, geht für mich in eine ähnliche Richtung wie das Ignorieren der Biodiversitätskrise.

Können Sie das noch etwas näher begründen?

Für mich ist klar, je mehr Chemie, desto weniger Biodiversität. Vielfach wird überflüssig gespritzt und Biodiversität zerstört, zum Beispiel auf Steinhaufen oder auf Alpen.

Wo sehen Sie die grössten Defizite bei der Biodiversitätsförderung in der Schweiz?

An und für sich gibt es relativ viele Biodiversitätsflächen und es wird viel Gutes gemacht, es besteht nicht unbedingt ein Mangel an Biodiversität. Was mich jedoch wirklich stört, ist: Wenn du dich für Biodiversität einsetzt als Landwirt, wirst du von den Meinungsmachern als grüner Fundamentalist angegriffen. Ich kenne einen Fall aus meiner Verwandtschaft, wo die Fahne für die Biodiversitätsinitiative wieder abgehängt wurde, weil sich die Nachbarschaft derart negativ äusserte.

Ihr besonderes Augenmerk gilt der Alpbewirtschaftung. Dort ist die Biodiversität ja nicht besonders unter Druck, oder?

Doch, bei den intensiven, niedrigen Alpen schon. Weiter oben gibt es weniger Problempflanzen. Bei den ersten Alpkontrollen, die aufgrund der erhöhten Beiträge ab 2016 angeordnet wurden, erhielt man ja bei der Alpinspektion Anweisungen, welche Pflanzen mit welchen Herbiziden zu behandeln sind. Damals galt beispielsweise, dass die Brennnessel zu bekämpfen sei. Aber wo findet man die Raupen? Auf den Brennnesseln. Im Weiteren sind die Brennnesseln eine gute Futter- und Heilpflanze. Statt mit Chemie laufen wir auf unserer Alp mit einer Sense herum, trockene Brennnesseln werden vom Vieh sehr gerne gefressen. Die grössten Biodiversitätsprobleme gibt es auf Alpen mit Milchvieh. Dort gibt es oft viel zu schwere Kühe, tonnenweise Kraftfutter wird heraufgekarrt, das führt zu höherem Anfall von Hofdünger. Und was passiert dann? Die Flächen werden total überdüngt mit negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt.

Die Bäuerinnen und Bauern machten sich im Zusammenhang mit der Biodiversitätsinitiative, über die das Schweizer Stimmvolk im September mit "Nein" abgestimmt hat, Sorgen wegen der Behinderung von Bautätigkeit und zu strengen Bewirtschaftungsregeln. Haben Sie dafür kein Verständnis?

Ich weiss nicht, woher diese Befürchtungen kommen, das wurde einfach in den Initiativtext hineininterpretiert. Man hat da teilweise absurde Dinge behauptet, so etwa, dass man alle Dächer begrünen müsse.

Die Landwirtschaft unternimmt ja schon sehr viel, müsste jetzt nicht mal die übrige Bevölkerung über Biodiversitätsförderung nachdenken?

Was sollen die Leute machen?

Zum Beispiel ihre Steingärten begrünen …

Ich habe selber einen ziemlich naturnahen Garten, das sorgt halt immer für Diskussionen. Oft heisst es im Umfeld dann, es fehle an Ordnung. Aber wenn du viele verschiedene Pflanzen hast, herrscht einfach keine Ordnung wie auf einem englischen Rasen. Das gleiche gilt auf der Bioalp, wegen der vielen verschiedenen Pflanzen herrscht dort "keine Ordnung".

Interview: Adrian Krebs, FiBL

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