Der Einsatz von synthetischen Pestiziden ist in der biologischen Produktion nicht erlaubt. Um Betrugsfälle zu bekämpfen, verpflichtet die Bioverordnung alle Akteure entlang der Biowertschöpfungskette, Pestizidrückstände in ihren Produkten zu überwachen (EU, 2018/848). Bei einem Nachweis von Pestizidrückständen erfolgt eine Untersuchung, um die Ursachen abzuklären. Diese Untersuchungen verursachen Verzögerungen, zusätzlichen Arbeitsaufwand und weitere Analysen und damit erhebliche Kosten.
Spuren von synthetischen Pestiziden werden regelmässig in Biolebensmitteln nachgewiesen, und ein erheblicher Teil dieser Fälle ist auf eine Umweltbelastung zurückzuführen. Welche Auswirkungen hat die Pestizidbelastung der Umwelt auf die Biowertschöpfungskette? Um das herauszufinden, hat das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL über neunzig wissenschaftliche Studien ausgewertet über Pestizide in der Umwelt und wie diese in Lebensmittel gelangen können.
Kontaminationsrisiko für den Bioanbau
Aus der Literatur geht hervor, dass Pestizide in der Umwelt allgegenwärtig sind. Eine europaweite Studie ergab, dass 83 % der Böden mit mindestens einem Pestizid belastet sind. Auch biologisch bewirtschaftete Böden enthalten Pestizide. Europäische Bäche, Flüsse und Seen enthalten oftmals Rückstände verschiedener Pestizide, so genannte "Cocktails". Beispielsweise wurden in mittelgroßen Flüssen in der Schweiz im Durchschnitt vierzig Pestizide pro Probe nachgewiesen. Auch in der Luft sind Pestizide häufig vorhanden und werden teilweise über weite Distanzen transportiert.
Pestizide können über verschiedene Wege aus der Umwelt in Biokulturen gelangen, beispielsweise aus dem Boden, der Bewässerung, aus der Luft oder durch Niederschläge. Biobetriebe können das Risiko von Pestizidrückständen verringern, aber ein gewisses Mass an Kontamination bleibt technisch unvermeidbar. Zudem sind diese Maßnahmen mit Kosten verbunden und erfordern Fachwissen, was vor allem für kleine Betriebe eine Herausforderung darstellt.
Fallspezifische Untersuchungen sind angemessen
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Untersuchung von Rückstandsfällen in Biolebensmitteln? Erstens sind Pestizidrückstände in Bioprodukten nicht unbedingt ein Beweis für Betrug.
Zweitens unterliegen alle Bioprodukte einem gewissen Kontaminationsrisiko aus der Umwelt. Bioproduzentinnen und Bioproduzenten können daher keine Null-Toleranz für Pestizidrückstände erfüllen.
Drittens ist ein einziger Schwellenwert zur Unterscheidung von Betrugsfällen und unvermeidbaren Kontaminationen nicht angemessen. Das Risiko für Umweltkontamination unterscheidet sich stark je nach Region, Kulturpflanze und Substanz.
Eine Einzelfalluntersuchung, bei der Beweise für oder gegen alle möglichen Ursachen für einen Pestizidrückstand gesammelt werden, liefert zuverlässigere Antworten. Schliesslich bleibt es aber eine Herausforderung, den genauen Ursprung eines Rückstands zu bestimmen und festzustellen, ob er auf Betrug zurückzuführen oder technisch unvermeidbar ist.
Dieser Artikel erschien im März 2023 in der Open-Access-Publikation Agrarforschung Schweiz.
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Links
- sciencedirect.com: Wissenschaftlicher Artikel "Presence of pesticides in the environment, transition into organic food, and implications for quality assurance along the European organic food chain – A review"
- agrarforschungschweiz.ch: Artikel in der Agrarforschung Schweiz