Bereits zum dritten Mal veranstaltet das World Food System Center (WFSC) der ETH eine zweiwöchige Summer School, bei der sich die Teilnehmenden intensiv mit dem globalen Ernährungssystem auseinandersetzen. Premiere war im Sommer 2013. Passend zum Fokus, der auf biologischer Landwirtschaft und Ernährung liegt, war auch schon der letztjährige Kurs auf Gut Rheinau zu Gast, einem der grössten Biohöfe der Schweiz. Vor einem halben Jahr organisierte das Zentrum eine weitere Summer School in Indien.
"Wir sehen die Summer Schools als wichtigen Teil unseres Bildungsauftrags", so WFSC-Geschäftsleiterin Michelle Grant. "Hier ist eine viel tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema möglich als im normalen Alltag, und die Teilnehmer haben zum Beispiel Gelegenheit zu reflektieren, welche Rolle sie in der Welt einnehmen möchten." Ein wichtiger Aspekt ist laut Grant auch die interkulturelle und interdisziplinäre Verknüpfung: "Die Teilnehmer kommen aus 16 Ländern und bringen ganz unterschiedliche fachliche Hintergründe mit. So haben sie Gelegenheit, sich mit ganz verschiedenen Blickwinkeln auseinanderzusetzen."
Facettenreiches Programm
Dies schätzt auch Jesper, der in Dänemark zum Thema Milchviehhaltung doktoriert, an der Summer School: "Jeder bringt durch sein Erfahrungsumfeld ganz unterschiedliche Aspekte ein. Das ermöglicht einen besseren Überblick zur Welternährung." Die Möglichkeit, das Ernährungssystem in einem grösseren Kontext zu betrachten, hat Jesper motiviert, sich für den Kurs zu bewerben. Denn bei seiner wissenschaftlichen Arbeit würden immer nur bestimmte Aspekte beleuchtet.
Um der Komplexität des Themas Welternährung gerecht zu werden, haben Projektkoordinator Bastian Flury und das WFSC-Team ein vielfältiges Programm zusammengestellt mit Fokus auf der Landwirtschaft in der ersten Woche. Hier standen unter anderem eine Führung über das Gut Rheinau, der Besuch einer Alp sowie Vorträge zu nachhaltigen Landwirtschaftssystemen, zu Fairem Handel und zu Biomasseproduktion auf dem Programm. Vielfältige Bereiche der landwirtschaftlichen Forschung stellten Mitarbeitende des FiBL den Kursteilnehmern bei einem Tagesbesuch des Forschungsinstituts vor.
Exkursion zum FiBL
Besonders erfreut über ihren ersten Besuch am FiBL war Gerda aus Ungarn. Die Nachwuchswissenschaftlerin arbeitet am ungarischen Forschungsinstitut für biologischen Landbau (ÖMKi), einem Partnerinstitut des FiBL, und hat bereits an mehreren Summer Schools teilgenommen: "Das sind tolle Gelegenheiten, um Kontakte zu knüpfen und das berufliche Netzwerk auszubauen. Der Austausch ist viel intensiver als zum Beispiel bei Tagungen. Und die internationale Ausrichtung erweitert den Horizont."
Von FiBL-Direktor Urs Niggli begrüsst und in die vielfältigen Arbeitsbereiche des Instituts eingeführt, wurden den Studierenden anschliessend ausgewählte Themen näher vorgestellt. So referierte unter anderem Florian Leiber vom Department für Nutzpflanzenwissenschaften über die Chancen und Herausforderungen nachhaltiger Tierhaltung und David Bautze vom Department für Internationale Zusammenarbeit stellte die Langzeitversuche des FiBL vor: Neben dem bekannten DOK-Versuch, der seit über drei Jahrzehnten in der Schweiz den Anbau unter konventionellen, biologischen und biologisch-dynamischen Bedingungen vergleicht, ist das FiBL auch an einem Langzeitsystemvergleich mit ähnlicher Fragestellung in den Tropen – in Kenia, Indien und Bolivien – beteiligt. Vorträge zur Pflanzenzüchtung und zur Beratungsarbeit des FiBL ergänzten das Programm. Claudia Daniel vom Departement für Nutzpflanzenwissenschaften gewährte bei einer Führung durch die hauseigenen Obstparzellen Einblick in einen Teil der Versuchsfelder, bevor die Exkursion mit einer Degustation der FibL-Weine ausklang.
Lillian aus Australien nahm das FiBL als wichtigen Teil der Schweizer Biolandwirtschaft wahr: "In Australien ist Biolandbau kaum ein politisches Thema, in der Schweiz scheint er einen viel wichtigeren Stellenwert zu haben. Und das FiBL scheint mir ein wichtiger Teil davon zu sein". Von der Summer School ist sie begeistert: "Ich interessiere mich sehr für nachhaltige Ernährung, ich liebe Essen und die Natur. Daher ist das der perfekte Kurs für mich."
Wertschöpfungskette und Ernährung im Fokus
Daniel aus Kenia freut sich besonders auf die zweite Kurswoche, in der der Schwerpunkt auf Verarbeitung, Handel, Marketing, Konsum, Ernährung und Gesundheit liegt. Diese Themen interessieren den Studenten der Ernährungswissenschaften sehr. "Für uns in Kenia ist Ernährungssicherheit ein sehr wichtiges Thema", sagt er. Auch für diesen Themenkomplex hat das WFSC ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt, bei dem die Studierenden Schweizer Verarbeitungs- und Handelsbetriebe besuchen, aber auch theoretischen Background von verschiedensten Fachleuten bekommen.
Selbst tätig werden die Teilnehmer der Summer School bei einer Gruppenarbeit, an der sie fortlaufend über die beiden Wochen hin arbeiten. Dabei beschäftigen sie sich sogar mit Schweizer Politik: Am Beispiel unterschiedlicher Lebensmitteln erarbeiten sie, welchen Einfluss eine Umsetzung der "Fair-Food-Initiative" der Grünen auf Produktion und Verarbeitung der Nahrungsmittel hätte. Mit theoretischer Arbeit aber nicht genug: Bei gemeinsamen Arbeitseinsätzen auf Gut Rheinau treten die Studierenden ganz direkt in Verbindung mit nachhaltiger Lebensmittelproduktion.
Theresa Rebholz, FiBL
Weitere Informationen
worldfoodsystem.ethz.ch: Informationen zu den Summer Schools des WFSC