Wie kommen wir zu mehr Biodiversität in der Landwirtschaft und was hindert oder motiviert Praktikerinnen und Praktiker, entsprechende Massnahmen umzusetzen? Dieser Frage ging 2023 eine Reihe von Landwirt*innen, Berater*innen und Wissenschaftler*innen in einer europäischen Arbeitsgruppe nach.
Aus dieser Gruppe ist nun unter der Leitung von Teagasc, der irischen Behörde für Landwirtschaft und Ernährungsentwicklung, ein EU finanziertes Projekt mit einer Laufzeit von drei Jahren entstanden. Es dient dem grenzübergreifenden Wissensaustausch und soll Anreize für mehr Biodiversität schaffen. Bio im Projektnamen FarmBioNet steht für Biodiversität, das Projekt wendet sich an alle Landwirtschaftsbetriebe.
Praxisbeispiele zum Nachahmen
Eine Kernaufgabe im Projekt ist die Sammlung von biodiversitätsfreundlichen Praktiken, die gut funktionieren und zum Nachahmen anregen: sogenannte «best practice» Beispiele.
Spannend ist auch die geplante Kosten-Nutzen-Analyse von Biodiversitätsmassnahmen – wie sind sie ökonomisch zu bewerten und was kann ein Betrieb davon erwarten? Je nach Massnahme könnten die Kosten gering und die positiven Nebeneffekte hoch sein, davon war das Projektteam beim Auftakttreffen überzeugt.
Im Rahmen des Treffens im Februar konnten die Teilnehmer*innen ein erstes Praxisbeispiel besichtigen. Eine Exkursion führte sie zum Hof von Kim und Mireille McCall im irischen Calverstown, eine Stunde von Dublin entfernt. Mit grosser Begeisterung und der typisch offenen irischen Art führte Kim McCall das Projektteam zu seinen Biodiversitäts-Hotspots.
Irischer Hof mit Strukturvielfalt
Der Hof an sich ist schon etwas Besonderes, 84 Hektar arrondierte Fläche mit einer hohen Artenvielfalt an Pflanzen und Tieren und einer eigenen Burgruine. Die McCalls halten Aubrac-Kühe und Schafe der Rassen Rouge de l'Oest und Beltex cross, mit denen sie die Flächen beweiden.
Bäume und Gehölze spielen auf dem Betrieb eine grosse Rolle, was für irische Höfe eher untypisch ist. Diverse Pflanzungen von Hecken und Bäumen und die Förderung von spontaner Naturverjüngung sorgen für eine ausserordentlich hohe Strukturvielfalt. Sie dienen der Biodiversität und dem familieneigenen Holzverarbeitungsbetrieb.
Nichts tun und beobachten
Kim McCall setzt auf die natürliche Dynamik. "Es geht um das Beobachten" ist er überzeugt. Ein Beispiel dafür sind die ungewöhnlich anmutenden offenen Bodenstellen auf seinen Weiden. Ursprung davon seien Kaninchenbauten, erläuterte er. Die Weidetiere arbeiteten weiter daran durch Scheuern und Kratzen.
Ergebnis sei ein wunderbares Quartier für bodenbewohnende Insekten, ergänzte Saorla Kavanagh, Projektkoordinatorin von FarmBioNet und Biodiversitätsforscherin bei Teagasc. McCall beobachtet diesen Prozess und greift nicht ein. "Nichts tun ist in den meisten Fällen besser, als etwas zu tun", lautete sein Fazit dazu.
Pragmatischer Ansatz
Die Einstellung des Landwirts zu Neophyten ist ebenso pragmatisch. Die Auswahl an einheimischen Arten sei in Irland begrenzt. Klimaveränderungen führten dazu, dass Insekten deutlich früher unterwegs seien. Sehr früh im Jahr finden sie keine Nahrung. Ein paar wenige frühblühende ausländische Gehölzarten könnten dabei helfen, diese Zeit zu überbrücken. "Warum sollte man sie also verteufeln?" fragte McCall in die Runde.
Winterweide auf Binsenflächen
McCall fasste seine Vorgehensweise so zusammen: "Es geht um das Herumprobieren mit Zäunen, Bäumen und Wasser". Das tat er zum Beispiel auch auf Flächen mit dominanten Binsenvorkommen. Versuchshalber hat er – im milden Klima Irlands möglich – die Beweidung umgestellt.
Sein Rindvieh kommt neu erst im Oktober zum Weiden auf die Binsenflächen, erklärte er. Im Frühjahr und Sommer bleiben die Wiesen komplett ungenutzt. So können sich Gräser und Kräuter gut entwickeln und sind konkurrenzstark gegenüber den Binsen. Auf diese Weise konnte McCall den Binsenbestand zugunsten einer höheren Artenvielfalt zurückdrängen.
Ideen grenzübergreifend verbreiten
Ansätze wie auf dem Hof von den McCalls sollen im Projekt FarmBioNet geprüft und mit Hilfe der nationalen Netzwerke in den beteiligten Ländern und über die Grenzen hinweg verbreitet werden. Zudem dienen die Netzwerke dem direkten Austausch mit der Praxis im Projekt. In der Schweiz und Deutschland entstehen die nationalen Netzwerke unter der Leitung von Agridea und FiBL Deutschland.
Wissen und Ideen können aus den nationalen Netzwerken in das Projekt eingehen – oder umgekehrt. Konkret erwarten die Mitglieder der Netzwerke nationale und internationale Betriebsbesuche, Workshops und die Möglichkeit Ideen einzubringen. Die nationalen Netzwerke sorgen für den notwendigen Praxisbezug im Projekt und die Berücksichtigung länderspezifischer Rahmenbedingungen. Ergebnisse aus dem Projekt werden verständlich in verschiedenen Medien aufbereitet und unter anderem über die nationalen Netzwerke verbreitet.
Simona Moosmann, FiBL
Landwirt*innen für nationales Netzwerk Schweiz und Deutschland gesucht
Für das nationale Netzwerk der Schweiz und von Deutschland werden noch Praktiker*innen gesucht. Es können alle auf Landwirtschaftsbetrieben tätigen Personen mit Interesse am Thema Biodiversität mitmachen – gerne auch von Betrieben mit einer intensiveren Produktionsweise, die Probleme bei der Umsetzung von Biodiversitätsmassnahmen benennen können. Interessierte sind gebeten, Corinne Zurbrügg von Agridea Schweiz oder Charlotte Loos vom FiBL Deutschland zu kontaktieren (Kontakte siehe unten).
Weitere Informationen
Kontakt
- Simona Moosmann (Projektleiterin FiBL Schweiz)
- Charlotte Loos (FiBL Deutschland)
- Corinne Zurbrügg (Agridea)
Links
- farmbionet.eu: Projektwebseite FarmBioNet
- fibl.org: Projekt FarmBioNet in der FiBL Projektdatenbank
- bioaktuell.ch: Inhalte zum Thema Biodiversität auf bioaktuell.ch
- agrinatur.ch: Biodiversitätsplattform Schweiz (agrinatur)