Mit tiefer Betroffenheit haben wir vom plötzlichen Tod des ehemaligen Direktors des FiBL Schweiz – Dr. Henri Suter – erfahren. Henri Suter hat in den 1980er Jahren Herausragendes zur Entwicklung des FiBL Schweiz geleistet, wofür wir ihm alle in Dankbarkeit verbunden sind. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.
Im Namen des Stiftungsrates, der Direktion und der Mitarbeitenden des FiBL
Bernard Lehmann und Knut Schmidtke
Nachruf vom ehemaligen FiBL Direktor Urs Niggli
Am 19. Juni ist Henri Suter (Heinrich Christian Suter) überraschend an seinem Wohnort in Wohlen verstorben. Er übernahm im Frühjahr 1981 die Leitung des FiBL von seinem Vorgänger Hartmut Vogtmann, der an die Hochschule Witzenhausen in Hessen berufen wurde. Er stand aber schon vorher als Senior Scientist der damaligen Eidgenössischen Forschungsanstalt für Pflanzenbau in Zürich-Reckenholz (FAP, heute Agroscope) mit dem jungen und noch sehr kleinen FiBL in Oberwil/BL in Kontakt. Henri Suters wissenschaftliche Meisterleistung in den 1970er Jahren war die erfolgreiche Einführung einer biologischen Bekämpfungsmethode gegen den Maiszünsler mit Hilfe der Trichogramma-Schlupfwespe. Seine Zuchten bildeten die Basis einer Schweizer Maisproduktion, die bis heute Insektizid-frei geblieben ist. Mittlerweile setzt sich die Methode auch im grossflächigen Anbau in EU-Ländern durch, da die Ausbringung in aus Stärke gefertigten Kugeln mit Hilfe von Drohnen arbeitswirtschaftlich auch für riesige Maisflächen ökonomisch interessant geworden ist. Ursprünglich waren die Nützlinge auf kleinen Kartons aufgeklebt, welche in gewissen Abständen von Hand bei den jungen Maispflanzen eingehängt wurden.
Henri Suter war, zusammen mit Jean-Marc Besson, einer der ersten Wissenschaftler des Bundes, welcher den Kontakt zur Idee Biolandbau und zum FiBL suchten. Er beriet das FiBL Team, als auf dem Bruderholzhof in Oberwil 1975 die ersten Feldversuche starteten. Der ursprünglich ausgesuchte Standort für einen Langzeit-Vergleichsversuch im leicht unebenen Gelände mit einer Senke wurde dank ihm im Jahr 1976 auf das relativ homogene und ebene Gelände verlegt, wo der DOK-Versuch auch heute noch steht. Das war eine weitreichende Intervention, da die Unterschiede zwischen den verschiedenen Anbauverfahren dynamisch-biologisch, organisch-biologisch und konventionell wohl kaum statistisch signifikant gewesen wären. Heute ist der Versuch der Klassiker der FiBL Forschung geworden. Anfang der 2000er Jahre haben die Publikationen des FiBL über den DOK-Versuch zu einer wesentlichen Veränderung der Einschätzung der Wissenschaftskommunität bezüglich der ökologischen Wirkungen des Biolandbaus geführt.
Als dann 1981 der Job des Institutsleiters frei wurde, wechselte Henri Suter vom Bund ans FiBL auf den Bernhardsberg. Es gibt viele Bilder aus dieser Zeit, welche Henri und sein junges Team im einfachen Umfeld der leicht abgewirtschafteten Fabrikantenvilla Stamm zeigen. Die mangelhafte Infrastruktur und die fehlenden wissenschaftlich-technischen Einrichtungen wurden kompensiert mit Engagement und Begeisterung. Der biologische Pflanzenschutz als Thema wurde ausgebaut. Die Qualität von Bioprodukten wurde mit einem Fokus auf die Phytoalexine untersucht. Man erkannte, dass die Pflanzen, wenn sie nicht mit Fungiziden geschützt waren, zur Krankheitsabwehr sekundäre Pflanzenstoffe produzierten, welche auch für die menschliche Ernährung eine gewisse Gesundheitswirkung hatten. Henri Suter hatte auch sehr gute Kontakte zur Migros. Der Migros-Genossenschaftsbund hatte gerade eine Genossenschafterabstimmung hinter sich, an der abgestimmt wurde, ob die Migros Biogemüse anbieten sollte. Diese Initiative entstand bei einem Kontakt zwischen dem Migros-Gründer Gottlieb Duttweiler mit dem Biopionier Hans Müller. Als die Abstimmung knapp scheiterte, startete die Migros das Migros-Sano-Programm, welches zur ersten integrierten Produktion wurde. Das FiBL konnte als Berater und Henri Suter mit seinem profunden Wissen über viele Jahre (bis 1991) das Sano-Programm unterstützen. Unter Henri Suter wurden zahlreiche Versuche mit Schneckenregulierung gemacht. Der Umgang mit diesem Schaderreger im Biogemüsebau geht auch heute noch auf diese Arbeiten zurück und das Buch mit zahlreichen Beispielen war ein Dauerbestseller. Da es immer mehr Anfragen von Gärtnerinnen und Landwirten beim FiBL gab, eröffnete Henri Suter eine telefonische Beratung an zwei Nachmittagen/Abenden pro Woche. Er gründete die Zeitschrift z.B., welche die Erkenntnisse aus der Bioforschung praxisrelevant in Schwerpunkt-Ausgaben zusammenfasste. Teilweise ging das z.B. zweiwöchentlich heraus und war stets sehr informativ und attraktiv gemacht. Die Ausweitung des Fokus des FiBL auf die Biodiversität, die schlussendlich 1982 zu mehrjährigen Aufträgen des Kantons Schaffhausen im Klettgau führte, war Henri Suter eine wichtige Angelegenheit. Im Klettgau, einer intensiven Ackerbau-Region der Schweiz, wurden zwischen dem FiBL Team und den Schaffhauser Behörden Massnahmen entwickelt und ausprobiert, welche dann im Jahr 1992 teilweise vom Bundesamt für Landwirtschaft bei der Einführung der Direktzahlungen gesamtschweizerisch übernommen wurden.
Henri Suter war ein begnadeter Redner. Er führte Besucher auf dem Bernhardsberg in die wilde Parkanlage und erzählt Geschichten vom Gleichgewicht in der Natur, welche es zu pflegen gelte. In Österreich wurde er zum Prediger für den Biolandbau und die Nachhaltigkeit, da er vom Innsbrucker Hochschul-Professor Josef Willi zu unzähligen Kursen eingeladen wurde. Der Biolandbau war damals in Österreich in den Kinderschuhen und Henri Suter war ein grosser Motivator. So legte er zahlreiche Keimzellen für den späteren Bioboom, der Österreich in den 1990er Jahren zum Bioland Nummer 1 machte.
1987 schrieb er eine Konzeptarbeit für die wirtschaftsnahe Schweizerische Gesellschaft für Umweltschutz (SGU). Es entstanden erste, Excel-basierte Modellierungen über zukünftige ökologische und ökonomische Szenarien für die Schweizer Landwirtschaft. Damals existierten in der Schweiz rund 600 biologische Betriebe, viele davon waren gärtnerische Kleinbetriebe. Henri Suters Schlussfolgerungen waren, dass der Biolandbau trotz seiner Vorzüglichkeit nicht aufskalierbar sei und deshalb eher eine Nische bleiben würde. Er entwickelte für die grossflächige Ökologisierung die Idee einer strengeren integrierten Produktion. Obwohl sich Henri Suter bezüglich des Wachstumspotentials des Biolandbau irrte (heute ist die Zahl elfmal grösser), gelten seine Aussagen, dass der Biolandbau für die ganze Landwirtschaft der Schweiz volkswirtschaftlich vermutlich zu teuer wäre, auch heute noch. Innerhalb des FiBL sorgte seine differenzierte Aussage für grossen Ärger, und auch ausserhalb hiess es, nicht einmal Henri Suter glaubt an die Zukunft des Biolandbaus.
Henri Suter wechselte Ende 1989 zum Schweizerischen Bauernverband und leitete die Stabsstelle Nachhaltigkeit. Nach wenigen Jahren gab er diese Aufgabe ab und wurde Experte der Aga Kahn Foundation in Genf, welche ein grosses Vermögen für Projekte im Bereich der Nachhaltigkeit verwaltete. Ab diesem Zeitpunkt war er in der Schweizer Landwirtschaft nicht mehr präsent.
Henri Suter hat das FiBL und den Biolandbau jugendlich, modern und weltoffen gemacht. Er hat ihm die Schwere der Pionierzeit genommen. Es war eine Freude für mich, im Jahr 1990 nach einem kurzen Interregnum von Otto Schmid, die Leitung von ihm zu übernehmen. Beim 25-jährigen FiBL Jubiläum im Jahr 1998 erzählte er mit seiner ewig-jugendlich dynamischen Art, wie er die Rolle des FiBL als Quelle der Innovation der Agrarforschung und der Agrarpolitik sah. Ich hatte vor knapp zwei Monaten mehrere Telefongespräche mit ihm, weil das FiBL Team eine Diskussionsrunde zwischen Hartmut Vogtmann, Henri Suter und Urs Niggli filmen wollte, die zusammen 46 Jahre des 50-jährigen FiBL Jubiläums prägten. Leider ist daraus nichts geworden, was mich sehr traurig macht. An jedes einzelne Gespräch und Treffen, das ich in den letzten 40 Jahren mit ihm erlebt habe, kann ich mich erinnern. Er war eine sehr eindrückliche und originelle Persönlichkeit, ein Querdenker im positiven Sinne des Wortes, er forderte einen heraus und er eckte auch mal an. Das FiBL Team darf mit grosser Dankbarkeit an ihn zurückdenken.
23. Juni 2023, Urs Niggli