Michael Rist gehörte zu den sieben Persönlichkeiten, die am 1. Februar 1973 die "Schweizerische Stiftung zur Förderung des biologischen Landbaus", die Trägerin des FiBL, gründeten. Und er war es auch, der Hartmut Vogtmann als ersten Leiter des Instituts gewinnen konnte.
Michael Rist hat als Bauingenieur und Doktor der Agrarwissenschaften die Sektion Tierhaltung und Landwirtschaftliches Bauwesen an der Landwirtschaftlichen Abteilung der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich auf- und ausgebaut. Sein Schwerpunkt war die "artgemässe Nutztierhaltung", die damals im universitären Bereich noch kaum ein Thema war. Er konnte viele Studierende für diese "sachliche Tierliebe" begeistern, und so entstanden Dutzende von Diplomarbeiten und Dissertationen, die zu zahlreichen Details der artgemässen Rinder-, Schweine- und Hühnerhaltung Erkenntnisse lieferten.
In seinem Buch "artgemässe Nutztierhaltung" (1988) hat Michael Rist diese Ergebnisse für forschende und praktizierende Tierhalterinnen und -halter zusammengestellt. Es wurde damals rege benutzt und oft zitiert. Das Besondere an diesem Buch und auch an seinen Vorlesungen war, dass die methodischen Grundlagen immer die naturwissenschaftlichen und die erkenntnistheoretischen Aspekte umfassten.
Er schreibt in der für seine Arbeitsweise beispielhaften Einleitung:
"In Ermangelung einer voraussetzungslosen Erkenntniswissenschaft, wie sie R. Steiner nunmehr vor 100 Jahren (1886) in seinen "Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung“ darstellte, verloren die Naturwissenschaftler mehr und mehr jenes Wahrheitskriterium und Verantwortungsbewusstsein, das zur schöpferischen Eigenständigkeit der Natur eine adäquate Beziehung hat, so dass beide heute fast ausschliesslich durch die sogenannte erfolgreiche Anwendung ersetzt werden. In der Landwirtschaft führte dieser Verlust an Denkkultur dazu, nicht mehr nach den Bedürfnissen der Nutztiere und den Lebensbedingungen der Kulturpflanzen, sondern nur noch nach der Maximierung des ökonomischen Ertrags zu fragen. Durch das Verfolgen dieser kurzfristigen, rein wirtschaftlichen Zielsetzung entstand eine Art Zwang zu umweltschädlichen Massnahmen, was eigentlich jedem Bauern zuwider ist. … Es sollen in den folgenden Beiträgen Beispiele aus der Rinder-, Schweine- und Hühnerhaltung vorgestellt werden, die zeigen, wie wenig artgemäss oft übliche Haltungssysteme sind und wie man zur artgemässeren Gestaltung neuer Haltungssysteme kommen kann. Dabei werden dann die ökonomischen Gesichtspunkte auf den ihnen zustehenden zweiten Platz verwiesen. Damit wird auch in der Tierhaltung wieder zuerst überlegt, was richtig, d.h. wesensgemäss ist, und erst dann wird das Richtige möglichst ökonomisch realisiert …“
Mit den daran interessierten Studierenden arbeitete Michael Rist in Abendkursen an den Grundlagen der Erkenntnistheorie und der biologisch-dynamischen Landwirtschaft von Rudolf Steiner. Er initiierte zudem die Sommeruniversität und die Winteruniversität Schweiz, wo sich Studierende aus dem ganzen deutschsprachigen Raum während der Semesterferien zu diesen und weiteren Themen weiterbilden konnten. Manchmal kamen über 100 Personen zu diesen anregenden Hochschulwochen.
Nebst der beruflichen Arbeit war Michael Rist fast 50 Jahre lang Präsident des "Konsumentenverein Zürich zur Förderung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft", arbeitete als Mitglied des Redaktionskreises der "Beiträge" und der "Arbeitsgruppe Forschung für biologisch-dynamische Landwirtschaft (AGF)", in deren Rahmen die "Austauschrunden für biologisch-dynamische Rindviehzucht" entstanden, die heute noch dreimal pro Jahr stattfinden und an denen er sich bis vor zwei Jahren sehr aktiv beteiligte.
Er gründete 1991 - kurz vor seiner Pensionierung - die Johannes Kreyenbühl-Akademie zur Synergie von Natur- und Geisteswissenschaft, in deren Rahmen zahlreiche Kurse und Seminare stattfanden und Schriften veröffentlicht wurden. Seine unermüdliche Arbeit für das Tierwohl und für ein adäquates Denken lebt in vielen Ställen, in Lehrveranstaltungen seiner Schülerinnen und Schüler sowie in neuen Projekten fort.
Anet Spengler Neff, FiBL