Die Firma Caiyunjian Tea in der südostchinesischen Stadt Jinhua war die erste Firma, welche zertifizierte Bio-Teegärten hatte. Der sehr moderne Betrieb bewirtschaftet mehr als 300 Hektaren Teegärten, 90% nach einer umweltfreundlichen Produktionsweise mit organischer Düngung und biologischer Insektenregulierung, 10% nach Bio-Richtlinien. „Wir exportieren unseren Grüntee hauptsächlich in die EU, aber auch in die USA, Kanada und Russland“ sagt Jintu Pan, welcher aus dem kleinen Betrieb seines Vaters eine grosse Anbau-, Verarbeitungs- und Exportfirma geschaffen hat.
EU will Qualitätssicherung überprüfen
„Eine kleine Menge Bio-Grün-Tee wird auch in die Schweiz exportiert“, sagt die Verkaufsmanagerin für Europa, „wir würden gerne mehr verkaufen, da wir doch die beste Qualität haben!“. Die Firma bereitet sich gerade auf einen Besuch von der EU-Kommission in Brüssel vor, welche die Qualitätssicherungssysteme und die Einrichtungen der Firma überprüfen will.
Das ausschliesslich junge Team von Agronominnen und Lebensmitteltechnologen ist überzeugt, dass der Betrieb auch ganz kritischen EU-Augen standzuhalten vermag. Jintu Pan will mehr Teegärten auf die biologische Bewirtschaftung umstellen, denn die Nachfrage steigt und Bio entspricht exakt dem Leitbild des Betriebes: Umweltfreundlicher Anbau, keine Rückstände, sorgfältige, die Qualität schonende Verarbeitungsweise und engagierte und begeisterte Mitarbeitende. Er sucht deshalb zusätzliche Teegärten, welche in einer vielfältigen Landschaft etwas abseits gelegen sind. Denn er möchte eine klare Warenflusstrennung haben.
FiBL-Direktor Urs Niggli besuchte die Firma zusammen mit drei Kollegen vom Chinesischen Tee-Forschungsinstitut (TRI) in Hangzhou. Die 7-Millionenstadt Hangzhou liegt 150 km von Shanghai entfernt im Qiangtan-Delta. Das TRI liegt zwischen der modernen Skyline der Grossstadt und dem malerischen West-See, den die chinesischen Kaiser vor mehr als tausend Jahren künstlich geschaffen und in eine phantastische Landschaft verwandelt haben. Auch heute noch heiraten viele junge Chinesen am See, Liebespärchen rudern im Mondschein und am Tag besuchen ihn Zehntausende von chinesischen Touristen.
190 Beschäftigte am Tee-Forschungsinstitut
Das TRI beschäftigt 190 Leute in der Forschung und Beratung, davon sind 115 Wissenschaftler. Zwischen dem TRI und dem FiBL gibt es seit 2010 einen Zusammenarbeitsvertrag. Bereits zuvor gab es aber enge Kontakte, so hat das FiBL zusammen mit der IFOAM am TRI einen Kontroll- und Zertifizierungsdienst für die biologische Teeproduktion aufgebaut. Die Agronomin Qiuhong Wang, welche am TRI als Inspektorin für biologische Teegärten arbeitet, erklärte die neuen chinesischen Bestimmungen für die Zertifizierung von Bioprodukten, welche zu den strengsten weltweit gehören.
„Die Chinesen haben aus verschiedenen Skandalen gelernt“ sagt Qiuhong Wang. Die zertifizierten Produkte sind von der Ernte über die Verarbeitung, Verpackung bis in den Handel mit individuell durchnummerierten Klebe-Etiketten versehen, welche alle in eine zentralen Datenbank erfasst sind. Damit kann die Herkunft auch von kleinen Mengen sofort eruiert werden. Der administrative Aufwand ist für die Hersteller wie für Kontrollstellen enorm, deshalb sind im Jahr 2012 leider viele kleinere Bioproduzenten ausgestiegen.
Urs Niggli war besonders an den Bodenforschungsaktivitäten des TRI interessiert. Wenyan Han, der zu den besten Agrarforschenden Chinas gehört, vergleicht die Klimagasemissionen in biologisch und konventionell bewirtschafteten Teegärten. Besonders das sehr aggressive Lachgas interessiert ihn, welches gemäss seinen Messungen deutlich weniger auf Bioflächen freigesetzt wird. Wenyan Han hat auch die Humusbildung von Bio-Teegärten untersucht und deutliche Rückbindungen von Kohlenstoff aufzeigen können. Er entwickelt momentan für ein chinesisch-sri-lankisches Projekt eine Methode für den Handel mit Klimazertifikaten, welche den ärmeren Biotee-Produzenten in Sri Lanka zu mehr Einkommen verhelfen könnte.
1100 natürliche Feinde untersucht
Ebenso interessant sind die Arbeiten des TRI über biologische Schädlingsbekämpfung. Die wichtigsten Schädlinge des Tees in China sind Spannerraupen, die Citrusmottenschildlaus, Zikaden, Motten und vor allem drei Arten von Teemilben. Das TRI arbeitet seit 20 Jahren an der biologischen Kontrolle dieser Schädlinge, „weil wir durch intensive Nutzung von Insektiziden nur Probleme hatten. So entstanden laufend resistente Schädlinge, es gab Vermehrungen von neuen Schädlingen, welche in die Lücken sprangen, die Umwelt wurde stark verschmutzt und wir mussten immer wieder hohe Rückstände im Tee messen“, sagte der Leiter der Pflanzenschutzforschung am TRI, Qiang Xiao.
Zusammen mit seinen Kollegen untersuchte er 1100 verschiedene natürliche Feinde der Tee-Schädlinge, wie zum Beispiel Räuber, Parasitoide, Viren und Pilze. Darunter fand er sehr wirksame Gegenspieler, welche für die Anbauer kommerziell vermehrt werden. „Heute ist es möglich, dass sowohl biologische wie konventionelle Betriebe keine Schädlingsprobleme mehr haben,“ sagte Qiang Xiao stolz, „die Natur ist wieder im Gleichgewicht“. Auch Bio-Tee-Produzenten ernten praktisch gleich viel wie die konventionellen.
Urs Niggli vereinbarte mit Luo Shao Jun, dem Direktor des TRI, und seinen Abteilungsleitern ein Sieben-Punkte-Programm für die nächsten 4 Jahre. Es soll zu einigen Themen eine fruchtbare Zusammenarbeit geben und jungen Wissenschaftler sollen sich gegenseitig besuchen. Mit der höchsten Teequalität, der vom TRI gezüchteten Longjing 43 Sorte, ausgerüstet, kehrte Urs Niggli in die Schweiz zurück, „mit grosser Begeisterung für eine neue Generation von chinesischen Wissenschaftlerinnen, Landwirten und Unternehmer“, wie er bilanzierte.
Text: FiBL
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