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DIREKT AUS KOPENHAGEN: Landwirtschaft kann globale Erwärmung abbremsen – aber welche Landwirtschaft?

Bauernorganisationen fordern auf der Klimakonferenz in Kopenhagen, dass die Landwirtschaft als mögliche Problemlöserin in die Verhandlungen einbezogen wird. FiBL-Direktor Urs Niggli kommentiert.

Ein mit Wald bewachsener Boden hat mehr Humus als eine Wiese und diese wiederum mehr als ein Acker. Das ständige Lockern und Pflügen des Bodens aktiviert Bodenbakterien, Pilze und Bodentiere dazu, den Humus zu verdauen und abzubauen. Dabei entsteht CO2, welches schliesslich als Treibhausgas die Erderwärmung mit verursacht.

In den bisherigen internationalen Abkommen wurde das Aufforsten als Massnahme gegen den ständigen Humusverlust gefördert. Humusarme Böden – Produkte einer industrialisierten Landwirtschaft – können so wieder Humus aufbauen, ein Prozess, welcher der Atmosphäre CO2 entzieht. Denn für Pflanzen ist CO2 aus der Luft die eigentliche Bausubstanz und in naturnahen Ökosystemen werden deren Wurzeln, Blätter und Triebe wieder zu Humus. Vor Millionen von Jahren entstand so aus Humus, Pflanzen- und Tierresten unter grossem geologischem Druck das Erdöl, das wir heute so leichtsinnig verbrennen.

In Kopenhagen kämpfen Bauern und ihre Organisationen dafür, die Landwirtschaft in einem neuen Licht – nämlich als klimafreundlich –  darzustellen. Stichworte sind dabei: sorgfältiger mit der Bodenfruchtbarkeit umgehen, Humus aufbauen, Biomasse und Agrodiesel herstellen sowie durch effizientere Anbautechnik unnötige Klimagase vermeiden.

Das Potenzial der Landwirtschaft, die globale Erwärmung zu bremsen, wäre riesig. Nur schon mit einem moderaten Humusaufbau könnten jährlich zwischen 5 und 15 Gigatonnen CO2 auf elegante Weise gespeichert werden. Zwischen 10 und 30 Prozent aller durch menschliche Tätigkeiten emittierten Klimagase wären damit reduziert. Und das Potenzial ist noch grösser. Viele Landwirtschaftsböden enthalten nur noch Bruchteile der organischen Substanz, welche sie vor der industriellen Intensivierung hatten. Warum also nicht dieses natürliche Potenzial der CO2-Speicherung nutzen, solange unsere Gesellschaft weiterhin vom Erdöl-Verbrennen abhängig ist?

Ja, sagen die Bauern an der Klimakonferenz COP 15. Alexander Müller, stellvertretender Generaldirektor der Welternährungsorganisation  FAO in Rom, forderte deshalb, dass jetzt die Landwirtschaft nicht mehr nur als Verursacher von Klimawandel, sondern auch als mögliche Problemlöserin in die Verhandlungen einbezogen wird. In den Verhandlungen der ersten Woche wurde darum hart und scheinbar erfolgreich gerungen. Der definitive Entscheid, ob die Landwirtschaft zukünftig Unterstützung für ihre Klimabemühungen erhält,  fällt zwar erst in der zweiten Woche, doch für einmal ziehen die Gruppe der 131 Entwicklungsländer (G-77) und die grossen Exportnationen (CAIRNS) am selben Strang.

Sollte die Landwirtschaft Teil der Verminderungsstrategien werden, geht der Kampf aber erst richtig los. Welche Landwirtschaft taugt wirklich dazu, nachhaltig die globale Erwärmung abzumindern? Schon die ersten Tage in Kopenhagen zeigten, wie stark die Meinungen der Experten dazu auseinandergehen. An vielen Parallelveranstaltungen wurde um überzeugende Konzepte gerungen. Denn es kann um viel Geld gehen.

Hier einige Eindrücke:

Konventionelle Landwirte preisen mit Hilfe der Industrie die ‚pfluglose Landwirtschaft’ an. Diese Methode verhindert zwar Erosion und erhöht den Humusgehalt im Boden. Doch die Nachteile sind vielfältig. Anstelle des Pflugs werden Totalherbizide eingesetzt, um die Felder vom Unkraut freizuräumen. Es werden Mais- und Sojasorten angebaut, welche gentechnisch so verändert wurden, dass sie Totalherbizide überleben. Zudem muss in der Regel mehr energiereicher Kunstdünger gestreut werden, und die Böden sind schlechter durchlüftet, was zu einer höheren Bildung der beiden anderen Klimagase, Methan und Lachgas, führt.

Doch es werden auch alte Rezepte neu verpackt. Experten propagieren ganz ungerührt mehr Dünger und mehr Pflanzenschutzmittel, um die Ernten zu steigern. Je mehr Biomasse auf den Äckern produziert werde, umso besser für das Klima. Dabei wird ignoriert, wie stark die Umwelt und die natürlichen Ökosysteme von der intensiven Landwirtschaft bereits degradiert wurden und wie uneffizient die Intensivlandwirtschaft Energie und Düngerstoffe nutzt. So werden heute nur noch 17 Prozent des Nitratdüngers, welcher aus Erdöl hergestellt wird, von den Pflanzen zu Biomasse verwertet. Der Rest belastet unsere Böden, Gewässer und die Luft.

Interessanter sehen dagegen Vorschläge der Experten der BioChar-Methode aus. Vorbild dieser Art Kohlenstoffspeicherung sind die von den Amazonas-Indios vor 500 bis 800 Jahren geschaffenen fruchtbaren Terra-Preta-Böden. Die Indios haben jeweils nach dem Abholzen von Regenwald das Holz unter grosser Hitze und unter Ausschluss von Sauerstoff verkohlt und in die neu gewonnenen Ackerböden eingearbeitet. So präparierte Holzkohle hat zu einem nachhaltigen Humusaufbau geführt und der Humus ist stabil, auch in tropischen Böden, wo zum Beispiel Kompost relativ rasch wieder veratmet wird.

Kann die BioChar-Technologie auf die moderne Landwirtschaft übertragen werden, indem Ernterückstände, Stroh, Kompostabfälle, Holz- und Sträucher^, ja sogar Papier ‚verkohlt’ und auf die Böden ausgebracht werden? Während Johannes Lehmann, der weltweit führende Forscher auf diesem Gebiet an der Cornell-Universität, in den USA bezüglich der BioChar-Systeme noch beträchtliche Wissenslücken sieht, bevor diese Methode für die Praxis empfohlen werden kann, haben Firmen bereits begonnen, kleine und grosse Verkohlungsgeräte herzustellen. Die kleinsten Systeme sind dabei Kochöfen, welche weniger als zehn Dollar kosten und neben der Kochenergie als Nebenprodukt BioChar produzieren.

Die Internationale Föderation der Biolandbau-Organisationen IFOAM fordert als einzige Organisation in Kopenhagen ein radikales Umdenken in der Landwirtschaft: Ackerbau und Tierhaltung müssen gemäss IFOAM wieder im Kreislauf aufeinander abgestimmt werden, Bodenfruchtbarkeit und Düngung sollen vollständig organisch basiert sein (Mist, Kompost, Gründünger und Klee), energieintensive chemische Dünger aus Erdöl haben laut IFOAM keinen Platz in der nachhaltigen Landwirtschaft, und chemische Pestiziden verringern die natürliche Vielfalt und belasteten die Umwelt.

Zwei Wochen vor Kopenhagen publizierten Wissenschafter des europäischen Forschungsverbundes CarboEurop beunruhigende neue Daten zur intensiven Landwirtschaft und Viehzucht. Die von der Intensivlandwirtschaft erzeugten Klimagasemissionen überstiegen die Kohlenstoffaufnahme durch Wälder und Grünland. Dies berichtete Detlef Schulze vom Jenaer Max-Planck-Institut für Biogeochemie, der die Studie leitete. Die Landwirtschaft hat nun die einmalige Chance, sich in Kopenhagen und in den anschliessenden Verhandlungen von diesem Negativimage zu lösen. Dazu sind aber mutige Schritte nötig und es müssen konsequent nachhaltige Wege gegangen werden. Der Biolandbau wird dabei eine wichtige Rolle spielen.

Urs Niggli, 13.12.2009, 18 Uhr

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  • Urs Niggli, Direktor FiBL

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