"Viele Landwirte scheuen eine Umstellung auf den biologischen Landbau, weil damit Risiken verbunden sind und die Bauernfamilien neues Wissen brauchen. Neue Forschungsergebnisse werden in Zukunft eine grosse Rolle spielen, um den Einstieg zu erleichtern", sagt FiBL-Direktor Urs Niggli anlässlich der achten Bioforschungstagung bei Agroscope in Changins (Kanton Waadt). "Die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Agroscope und dem FiBL war noch nie so gross wie heute", zeigt sich Michael Gysi, Chef Agroscope, überzeugt.
Gemeinsames Forschungsforum
An der Tagung "Aktuelles zum Ackerbau" präsentieren einerseits Teams von FiBL und Agroscope ihre Forschungsthemen in den Bereichen Ackerbausysteme, Pflanzenzüchtung, Biosorten, funktionelle Biodiversität und ökologischer Pflanzenschutz. Anderseits werden Möglichkeiten zur verstärkten Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen diskutiert. Um die Forschung für den Biolandbau besser zu koordinieren und die Erkenntnisse schneller und gebündelter für die Beratung und die Praxis verfügbar zu machen, haben Agroscope und das FiBL die Bildung eines gemeinsamen, aus Akteuren des Biolandbaus bestehenden Forschungsforums beschlossen.
Die Forschung strebt bei Bioackerkulturen unter anderem eine Verbesserung und Stabilisierung des Ertragsniveaus an. Dazu braucht es Anbausysteme, welche die Bodenfruchtbarkeit und die Effizienz des Nährstoffeinsatzes fördern, an Biorahmenbedingungen angepasste Sorten sowie wirksame Bekämpfungsstrategien gegen die wichtigsten Schädlinge. Denn gemäss den Bio Suisse-Richtlinien und der verbindlichen FiBL-Hilfsstoffliste sind im Bioackerbau nur Vermeidungsstrategien sowie beim Kartoffelanbau naturnahe Pflanzenschutzmittel zugelassen.
Robuste Bio-Sorten
Aufgrund der beschränkten Möglichkeit zur Regulierung von Schädlingen und Pilzen, kommen der Züchtung und der Sortenwahl eine grosse Bedeutung zu. Anhand der Sortenprüfung von Agroscope und FiBL können Sorten ausgewählt werden, welche die Bioproduzentinnen und Bioproduzenten bezüglich Resistenz, Qualität und Ertrag überzeugen. Geeignete Sorten tragen wesentlich zur Stabilisierung des Ertrages bei. Sie sind robuster und können mit den Bedingungen des Biolandbaus, beispielsweise einem knapperen Stickstoffangebot, besser umgehen.
Die Züchtung von neuen Getreide- und Sojasorten bei Agroscope ist eine wichtige Grundlage für die Landwirtschaft. Der kombinierte Einsatz von Fruchtfolge und Züchtungsfortschritt ermöglicht günstige wirtschaftliche und ökologische Produktionsbedingungen. Die Züchtung macht zudem eine laufende Anpassung an Pilzkrankheiten möglich: durch die Züchtung resistenter Sorten verfügen die Landwirtinnen und Landwirte über eine wirtschaftliche Bekämpfungsstrategie; Brotweizen zum Beispiel kann bereits auf fünfzig Prozent der Flächen in der Schweiz ohne Einsatz von Pflanzenschutzmitteln angebaut werden.
Durch die Sortenzüchtung werden die Pflanzen auch laufend an die Bedürfnisse des Marktes angepasst, was einen Mehrwert der Kultur mit sich bringt. Bei Soja beispielsweise konnten mehrere frühreife Sorten mit verbesserten geschmacklichen Eigenschaften gezüchtet werden, die sich für die Lebensmittelproduktion, zum Beispiel für Tofu, eignen. Dies führt zu höheren Margen. Ein verstärkter Sojaanbau verbessert zudem die Stickstoffversorgung in Fruchtfolgen von Biobetrieben mit einem geringen Viehbestand.
Förderung von Nützlingen
Vergleichsstudien belegen, dass sich der Biolandbau positiv auf die Biodiversität auswirkt. Für eine effektive Schädlingsregulierung ist auch eine massgeschneiderte "funktionelle" Biodiversität nötig, welche die Schlüsselantagonisten fördert. Dazu braucht es Aufwertungen, zum Beispiel Blühstreifen am Feldrand oder blühende Pflanzen direkt in den Kulturen, die sowohl für Räuber als auch für spezialisierte Gegenspieler, zum Beispiel parasitoide Schlupfwespen, attraktiv sind. Am FiBL wird bereits seit den 90er Jahren im Obstbau und seit 2000 im Gemüsebau im Bereich funktionelle Biodiversität geforscht. Unter anderem wurde ein System zur Nützlingsförderung für den Kohlanbau entwickelt. Dieses beruht auf der Wechselwirkung zwischen gezielt angelegten Blühstreifen und Blühpflanzen im Feld als Nahrungsquellen für Nützlinge und mehrjährigen naturnahen Landschaftselementen wie zum Beispiel Hecken als Überwinterungsstandorte. Laborversuche haben ergeben, dass Schlupfwespen-Weibchen in Anwesenheit von Buchweizen, Kornblume und Futterwicke am längsten leben und am meisten Larven des Schädlings Kohleule parasitieren. Die Feldversuche zeigten, dass Beipflanzen einen positiven Einfluss auf die räuberischen Nützlinge und die Parasitierung von Kohleuleneiern und -larven und damit auf die Kohl-Erträge haben. Agroscope entwickelt Blühstreifen-Mischungen, welche einerseits als Biodiversitätsförderflächen dienen und anderseits gezielt Nützlinge für den Ackerbau fördern. Mit diesen Blühstreifen konnte der Befall von Winterweizen durch Getreidehähnchen unter die ökonomische Schadschwelle gesenkt werden. Die Versuche sollen in den nächsten zwei Jahren auf breiterer Basis wiederholt werden, so dass in absehbarer Zeit eine praktikable Anwendung gegen diesen Schädling zur Verfügung stehen wird.
Herausforderung für den Pflanzenschutz
Die direkten Möglichkeiten zur Regulierung von Schadorganismen sind im biologischen Landbau beschränkt. Neben dem Biorapsglanzkäferprojekt sind im Biokartoffelanbau alternative Kontrollmethoden gegen Drahtwürmer gefragt. Die Forschenden von Agroscope entwickeln mit insektenschädigenden Pilzen und dem Einsatz von Naturstoffen effiziente Regulierungsmassnahmen. Ziel ist es, diese Schädlinge ohne den Einsatz von chemisch-synthetischen Produkten zu kontrollieren. Ein weiterer Schwerpunkt der Forschung liegt in der bio-kompatiblen Kontrolle von samenbürtigen Krankheiten im Getreide und in der Suche nach Naturstoffen als Alternative zu Kupferpräparaten gegen die Kraut- und Knollenfäule für den Biokar-toffelanbau. Vielversprechende Ergebnisse, beispielsweise zur Regulierung des Gersten-Flugbrands, konnten mit einer Warmwasser-Behandlung erzielt werden. Ziel ist hier die Entwicklung einer praxistauglichen Methode für grosse Saatgutmengen. Am FiBL wird im Rahmen von mehreren EU-Projekten intensiv an der Entwicklung von Alternativen zum Kupfereinsatz geforscht: Ein erster pflanzlicher Naturstoff wurde zum Patent angemeldet, weitere Kandidaten werden demnächst folgen, um die vielfältigen Anforderungen abzudecken.
Ökologischer Pflanzenschutz im Biorapsanbau
Im Biorapsanbau stehen derzeit keine wirkungsvollen Bekämpfungsmittel gegen den Rapsglanzkäfer zur Verfügung. Das vermehrte Auftreten von Insektizid-resistenten Rapsglanzkäfer-Populationen in weiten Teilen Europas stellt jedoch auch den konventionellen Rapsanbau vor grosse Schwierigkeiten. Alternativen zur Bekämpfung der Rapsglanzkäfer sind daher nicht nur in der Bioproduktion gefragt. Agroscope sucht gemeinsam mit dem FiBL nach Möglichkeiten, wie diese Schädlinge wirksam und Umwelt schonend reguliert werden können. Geprüft wird einerseits der Einsatz pflanzlicher Duftstoffe, wie zum Beispiel Lavendelöl. Die abschreckende Wirkung dieser Repellents soll die Käfer im Frühjahr davon abhalten, in die Bestände einzufliegen. Andererseits werden heimische Isolate des insektenpathogenen Pilzes Beauveria bassiana auf ihre Wirkung gegen Rapsglanzkäfer getestet. Innovative Formulierungen der Pilzsporen in Kombination mit anderen natürlichen Inhaltstoffen sollen helfen, diesen natürlich vorkommenden Antagonisten des Schädlings fit für den Einsatz im Feld zu machen. Die Forschungsarbeiten zum ökologischen Pflanzenschutz im Rapsanbau sind Teil des Biorapsprojektes, welches die biofarm Genossenschaft als Erzeugervereinigung initiiert hat. Das Projekt beinhaltet auch die Prüfung von Rapssorten hinsichtlich ihrer Eignung für den Bioanbau sowie die Beratung der Landwirtinnen und Landwirte. Ziel ist, die Biorapsproduktion auf eine solide Grundlage zu stellen und die Nachfrage nach dem begehrten Biorapsöl aus schweizerischem Anbau sicherzustellen. Ermöglicht wird das dreijährige Projektvorhaben durch die finanzielle Unterstützung des Migros-Genossenschafts-Bundes.
Quelle: Medienmitteilung Agroscope-FiBL vom 13.11.2014
Weitere Informationen
Kontakt
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- Simone de Montmollin, Mediendienst Agroscope, simone.demontmollin(at)agroscope.admin.ch ,+41 (0)58 460 41 51
Links
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