Die Veranstalter (FREILAND-Verband, FIBL Österreich, das Institut für Nutztierwissenschaften (Universität für Bodenkultur) sowie das Institut für Tierhaltung und Tierschutz (Veterinärmedizinische Universität Wien)) verstehen die Tagung als lebendiges Forum zur objektiven Auseinandersetzung mit relevanten Zukunftsfragen der Landwirtschaft und als Bindeglied zwischen Wissenschaft, Beratung und Praxis.
Mit 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bestätigte die FREILAND-Tagung ihren Rang als führende angewandte Tierhaltungsfachtagung im deutschsprachigen Raum. Auch dieses Jahr ließen Expertinnen und Experten mit neuesten wissenschaftlichen Ergebnissen aufhorchen und polarisierten mit philosophischen Betrachtungen das Publikum.
Retortenschnitzel - das Fleisch der Zukunft?
Der Philosoph Harald Lemke nahm das Gebot eines guten Umgangs mit Nutztieren zum Anlass, die „Fleischfrage“ zu stellen. Dabei ging es nicht um ein striktes „Fleisch - ja oder nein“, sondern um die Frage nach einer ethisch korrekten Ernährungsweise und danach, ob diese dem täglichen Fleischessen entgegensteht. Der von Lemke propagierte „gastrosophische Hedonismus“ stellt das Fleischessen nicht unter ein rigoroses Verbot, sondern verbindet eine ethisch korrekte Ernährungsweise mit stark eingeschränktem Fleischkonsum:
„Der ethische Grundsatz eines gastrosophischen Hedonismus besagt, dass wir für alle Lebewesen, die wir töten, um sie zu essen, alles tun sollten, damit diese das Glück eines artgerechten Wohlergehens haben, solange wir sie leben lassen. Dieser Grundsatz impliziert einen guten Umgang mit Nutztieren ebenso wie eine gute Anbauweise von Nutzpflanzen“, erläutert Lemke.
Diese Gerechtigkeit im Umgang mit unseren Nahrungslieferanten und die ernährungsphilosophische Gleichbehandlung von Nutzpflanzen und Nutztieren zieht der Philosoph dem konsequenten Vegetarismus bzw. Veganismus vor. Für ihn heißt ethisches Essen: Wenn Fleisch, dann nur aus artgemäßer Tierhaltung.
Zukunftsethische Fragen zum Fleischkonsum
Eine Umstellung von der industriellen Massentierhaltung zu einer artgerechten Tierhaltung wäre in vielerlei Hinsicht ein enormer Fortschritt, bei gleich bleibendem Fleischkonsum aber nicht realisierbar. Die entscheidende zukunftsethische Frage lautet laut Lemke daher: Wie viel Fleisch steht jedem Menschen zu? Die Berechnung der maximalen Fleischmenge pro Person hätte dabei zu berücksichtigen, dass die Fleischproduktion nicht länger Konkurrent des pflanzlichen Nahrungsanbaus sein darf - entsprechend gering fielen die durchschnittlichen Fleischrechte jedes Menschen aus.
Neben reduziertem Fleischkonsum und gleichzeitiger Forcierung der artgemäßen Tierhaltung nennt Lemke „Retortenfleisch“ als denkbare Variante für einen ethisch unbedenklichen „Fleischgenuss“. Er geht davon aus, dass in absehbarer Zukunft aus tierischen Stammzellen künstlicher Fleischersatz hergestellt werden könnte. „So utopisch die Vorstellung von Kunstfleisch auch erscheint, heißt das nicht, dass diese Entwicklung unrealistisch ist. Je knapper die Ressourcen für die Fleischproduktion werden, desto rentabler wird es für die Nahrungsmittelindustrie sein, in derartige Forschung und technologische Entwicklung zu investieren“, stellt Lemke eine durchaus kritisch zu hinterfragende These auf, die im Publikum auch entsprechend emotional diskutiert wurde.
Ob Retortenfleisch, gastrosophischer Hedonismus oder Vegetarismus - eine moralische Esskultur darf laut Lemke weder auf Kosten der Umwelt noch des Wohls „menschlicher und nicht-menschlicher Lebensformen“ gehen.
Themenvielfalt auf der FREILAND-Tagung
Neben spannenden philosophischen Ausführungen zu Tierhaltung und Fleischkonsum wurden zahlreiche weitere Themen diskutiert: Josef Troxler (Veterinärmedizinische Universität Wien) stellte die neue österreichische Fachstelle für Tierhaltung und Tierschutz vor und zeigte auf, wie diese dazu beitragen kann, den Tierschutz weiter zu entwickeln. Johanna Probst von FiBL Schweiz schilderte, wie sehr ein positives Handling an Kälbern nicht nur die Mensch-Tier-Beziehung verbessern, sondern auch Angst- und Stressreaktionen bei Tieren mildern und in weiterer Folge die Fleischqualität verbessern kann. Denise Marty (KAGfreiland) präsentierte das Projekt „Horn auf!“ und Toni Hubmann (Toni’s Handels GmbH) berichtete von den „Brüdern“ der Legehennen und seinen Bemühungen für eine tiergerechte Junghahnmast.
Tagungsband zur 19. FREILAND-Tagung jetzt erhältlich
Diese und alle anderen Beiträge sind im aktuellen Tagungsband nachzulesen. Bestellung des 58seitigen Tagungsbandes zur 19. FREILAND-Tagung: „Zum Wohl! Vom guten Umgang mit Nutztieren“ EUR 14,- zzgl. Versandspesen unter www.freiland.or.at oder freilandtagung(at)freiland.or.at
Weitere Informationen
- Kontakt am FiBL: Reinhard Geßl
- freiland.or.at: Website des FREILAND-Verbands