Voraussetzungen für mündige Konsumenten
Eine nachhaltige Lebensmittelwirtschaft könne ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn auch der Konsum nachhaltiger werde, sagte Sibyl Anwander Phan-huy, Leiterin Qualität/Nachhaltigkeit beim Schweizer Grossverteiler Coop: «Wirkung erzielen wir erst, wenn die Konsumenten wissen, dass sie mit der Wahl der Produkte, die sie in den Einkaufskorb legen, Spuren hinterlassen.» Diese Bewusstseinsbildung sei im Gang, bedinge aber seitens der Anbieter Transparenz und eine klare Prioritätensetzung. Coop setzt dabei auf zertifizierte Labelprodukte, aber engagiert sich auch dafür, dass die Umweltbelastung im Standardsortiment reduziert wird. Dabei hat auch die umfassende Umweltpartnerschaft mit dem WWF wichtige Impulse gegeben.
Als Beispiel nennt Anwander die Flugtransporte von konventionellen Produkten (für Bioprodukte in den Coop-Regalen sind sie mit dem Bio Suisse Label Knospe ohnehin ausgeschlossen). 2007 hat Coop entschieden, Flugtransporte auf den entsprechenden Produkten zu kennzeichnen und den damit verbundenen CO2-Ausstoss zu kompensieren. Wichtiger als die Kompensation sei aber die Bewusstseinsbildung, die seither innerhalb von Coop stattgefunden habe. So habe bei Coop die Reduktion von CO2 inzwischen mehr Bedeutung erlangt als dessen Kompensation. Dabei werde auf drei Ebenen vorgegangen: Erstens Verlagerung vom Flugzeug auf das Schiff, sofern die Produktqualität es zulasse. Zweitens Suche nach näher gelegenen Provenienzen. Drittens Anpassung des Sortiments.
Visionen für den Biolandbau 2025
Die Lebensmittelwirtschaft stehe vor der gewaltigen Herausforderung, immer mehr Menschen gesund zu ernähren, ohne die Umwelt zusätzlich zu belasten, sagte Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. In den vergangenen Jahrzehnten habe der Biolandbau in der Nische seine Konzepte entwickeln können, künftig trete er immer mehr aus der Nische heraus, um der gesamten Gesellschaft relevanten Mehrwert zu bringen, unter anderem zunehmend als Zugpferd für die gesamte Landwirtschaft.
Niggli stellte drei Visionen des Biolandbaus der Zukunft zur Diskussion:
- Biolandbau als Teil lebensfähiger Konzepte für die Stärkung der ländlichen Wirtschaft im regionalen und globalen Kontext.
- Sicherung von Ökosystemen und der Verfügbarkeit von Lebensmitteln durch eine Intensivierung der Produktion, die auf ökologischen Prozessen beruht.
- Qualitativ hochstehende Lebensmittel als Grundlage einer gesunden Ernährung und als Schlüssel zur Steigerung von Lebensqualität und Gesundheit.
Für Urs Niggli ist die Biolandbau Strategie da, um die zukünftigen Herausforderungen der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeugung anzugehen und nachhaltige Lösungen zu finden: «Dieses Potential kann durch Forschung zielgerichtet geweckt werden. Dies verleiht dem Ökolandbau und der in diesem System stattfindenden Forschungsanstrengungen höchste Aktualität, besonders auch auf dem Hintergrund der vom Weltagrarrat angestossenen Diskussion über die zukünftige Ausrichtung der Agrarforschung.»
Die drei möglichen Zukünfte
Diese Perspektiven stellte Professor Franz-Josef Rademacher, Vorstand des Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung in Ulm, in den Kontext der Globalisierung. Diese befinde sich nämlich auf einem Scheideweg, was durch die aktuelle Finanzkrise noch deutlicher zutage trete. Drei Wege, drei mögliche Zukünfte, stünden zur Auswahl.
- Wenn wir in gleichem Stil weitermachten wie bisher und es uns nicht gelinge, die Umwelt und die Ressourcen zu schützen und die Würde aller Menschen zu achten, heisse die Zukunft «Kollaps».
- Wenn die Ressourcen zwar geschützt würden, allerdings zu Gunsten weniger und zu Lasten vieler, dann stünden wir vor einer Zukunft, die geprägt sei durch die massive Verarmung der breiten Bevölkerung, die sogenannte «Brasilianisierung».
- Im Falle eines breiten Konsenses über Ressourcen- und Umweltschutz und sowie die Achtung der Würde der Menschen, stünden wir vor einer Zukunft mit Perspektiven, einer weltweiten «ökosozialen Marktwirtschaft», wie es in Europa bekannt ist.
Die ökosoziale Marktwirtschaft wäre im Rahmen der Weltökonomie weiterzuentwickeln, stellt Rademacher dar: «Einen aktuellen Ansatz stellt ein Global Marshall Plan dar, der Strukturbildung und Durchsetzung von Standards mit der Co-Finanzierung von Entwicklung verknüpft.»
Mit dem Global Marshall Plan liege ein Konzept vor, wie eine Zukunft in Balance erreicht werden könne. Die zunehmende Unterstützung für diesen Ansatz in Politik, Wirtschaft und im Bereich der Nichtregierungsorganisationen gebe Hoffnung. Rademacher betont jedoch: «Der Weg, der vor uns liegt, ist noch lang und mühselig, und ein Erfolg ist alles andere als sicher.»
Weiterführende Informationen
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Das Detailprogramm finden Sie auf unserer Tagungswebseite www.wissenschaftstagung.ch.
Medienkontakte
Alfred Schädeli, Medienbeauftragter, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse, 5070 Frick, Schweiz
Denise Tschamper, Leiterin Kommunikation, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Reckenholzstrasse 191, 8046 Zürich, Tel. +41 (0)44 377 72 69, Thomas Alföldi, Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), Ackerstrasse, 5070 Frick, Schweiz
Jochen Mayer, Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, Reckenholzstrasse 191, 8046 Zürich, Tel. +41 (0)44 377 72 14, jochen.mayer(at)art.admin.ch
Veranstalter
Die Tagung wird von der Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, der Eidgenössischen Technischen Hochschule ETH Zürich und der Stiftung Ökologie & Landbau veranstaltet.
Unterstützer und Sponsoren
Neben den Hauptsponsoren Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), Coop Fonds für Nachhaltigkeit und Bundesamt für Umwelt (BAFU) wird die 10. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau unterstützt von der Stadt Zürich, dem Amt für Landschaft und Natur (ALN) des Kantons Zürich und dem Strickhof, agridea, und Bio Suisse. Weitere Sponsoren sind: Baer AG, bio direct AG, Bio Partner Schweiz AG, bio.inspecta AG, Biofarm Genossenschaft, Bioterra, Brauerei Locher AG, cultiva, Delinat AG, Hauert HBG Dünger AG Schweiz, hosberg AG, Molkerei Davos, Ricola AG, Demeter Schweiz, Sonnentor KräuterhandelsgmbH, Vier Linden