Urs Niggli wurde 1989 zum dritten Direktor des FiBL gewählt. Er übernahm Anfang 1990 die Aufgaben von seinem Vorgänger Henri Suter und hat das FiBL Schweiz 30 Jahre lang geleitet. Seit 2020 ist er für das Institut für Agrarökologie, für Agroscope und für die Stiftung Re-Imagine Europa tätig. Zudem ist er Obmann des FiBL Österreich.
Schaute man Mitte der 1980er Jahre Richtung Oberwil im Unteren Baselbiet, packte einen als junger, staatlich angestellter Agrarwissenschaftler ein leichtes exotisches Schaudern. Die biobegeisterten jungen Menschen mühten sich dort ab, ohne ein Labor, ohne Maschinen und mit wenig Geld praxisorientierte Feldversuche zu machen. Das Prunkstück war der DOK-Versuch auf dem naheliegenden Birsmattehof, der von der Eidgenössischen Forschungsanstalt Liebefeld (heute Agroscope) betrieben wurde und wo ein FiBL Mitarbeiter die Mäuse bekämpfen durfte. Mich faszinierte das Potenzial, mit diesen Menschen etwas zu erreichen. Und ich spürte, dass das FiBL die Keimzelle für etwas Grosses werden könnte. Die "Bioknospe", die auf dem Briefpapier des FiBL und der hauseigenen zweiwöchigen Zeitschrift "zB" prangte, gehörte niemandem, wurde aber in einer sich langsam strukturierenden alternativen Land- und Ernährungswirtschaft zu einer ordnenden Kraft.
In meiner Doppelfunktion FiBL Leitung und Vorstand VSBLO (heute Bio Suisse) ab 1990 verstand ich schnell, wie die kleine Biowelt tickte und wie es weitergehen könnte. Später emanzipierte sich Bio Suisse vom FiBL, das FiBL gab seine Richtlinienkompetenz und das Knospe-Logo ab und konzentrierte sich auf Forschung, Beratung und Kontrolle/Zertifizierung. Letzte wurde dann 1998 wiederum in eine unabhängige Rechtsform als "bio.inspecta AG" ausgegliedert. Das FiBL baute danach ganz konsequent seine verbliebene Funktion als Forschungs- und Beratungszentrum des Biolandbaus aus. Es war ein unglaublich spannender, komplexer und herausfordernder Entwicklungsprozess. In dieser Zeit lernte ich alles, was ich bis heute an Fähigkeiten zu mobilisieren vermag. Ich war mit "Haut und Haaren" dabei, benutze fleissig das Sofa, das in meinem Büro in der alten Fabrikanten-Villa auf dem Bernhardsberg stand und wurde getragen von Menschen, die mir vertrauten, wie der damalige Stiftungsratspräsident Heinz Zumstein, der erste VSBLO-Präsident Werner Scheidegger, der erfahrene Biopionier, FiBL Mitarbeiter und IFOAM-Engagierte Otto Schmid und Anne Merz, die mich mikromanagte.
Nach diesen ersten fünf Jahren jagte ich ständig neuen Geldquellen nach. Wo engagierte Menschen Ziele und Ideen haben, kommt man fast gar nicht nach, diese auch zu finanzieren. Jährlich wuchs das Budget um zwei bis drei Millionen. Zur klassischen Pflanzenproduktion kamen die Tierhaltung und die Tiergesundheit dazu, die Wirtschaftswissenschaften und die Soziologie, die Ernährung und die Gesundheit. Ständig war der Biolandbau gefordert, seine Kompetenz zu Biodiversität, Bodenschutz, Klimawandel oder zur Welternährung zu schärfen. Diese grossen Themen bewogen uns, 1993 in die EU-Forschungsprogramme einzusteigen und 1996 Projekte in Osteuropa und im globalen Süden zu starten. Das Verhältnis zum Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) näherte sich zunehmend an, dabei half uns auch Alt-Bundesrat Otto Stich, der nach seiner Pensionierung viel für das FiBL tat und dessen freundschaftliche, lakonische Art mich stets erdete.
Was bleibt sind 1000e Menschen, die bei uns oder mit uns gearbeitet haben. Diese sind das eigentliche Vermächtnis des FiBL. Ich treffe sie immer noch überall auf der Welt an und mein zweites Leben nach dem FiBL wurde deshalb auch erfolgreich. Das FiBL sollte diese Kultur als Kreativwerkstatt der Zukunft des Planeten stark pflegen. Es muss viele Menschen inspirieren und sie für kurze oder lange magische Momente an sich binden. Es gibt wenig solche Orte, das ist der USP des FiBL für die Zukunft.