Stefan Jegge ist Biolandwirt in Kaisten, fünf Kilometer vom FiBL in Frick entfernt. Er arbeitet seit 20 Jahren regelmässig mit dem FiBL zusammen.
Herr Jegge, wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem FiBL?
Stefan Jegge: Das ging 2003 oder 2004 mit dem Projekt Pro Q los. Dafür hatte ich eine Ausschreibung gesehen. Meine Frau Anita und ich hatten 2002 den Betrieb von meinen Eltern übernommen und auf Knospe (Label von Bio Suisse, dem Dachverband der Schweizer Biobäuerinnen und -bauern, Anm. der Redaktion) umgestellt. Von Anfang an haben wir geschaut, wie wir am besten standortangepasst arbeiten und was wir besser machen können, um wirtschaftlich zu sein. Dabei schaue ich lieber der Natur etwas ab als mit Hightech zu arbeiten. Zudem bin ich grundsätzlich neugierig und so habe ich mich für Pro Q gemeldet.
Um was ging es in dem Projekt?
Vor allem um die Reduktion von Antibiotika auf Milchviehbetrieben. Dafür wurden Daten auf mehr als hundert Biohöfen erhoben. Ich hatte damals selbst schon Homöopathie-Kurse gemacht. Der Austausch mit dem FiBL und anderen teilnehmenden Betrieben hat Mut gegeben, Sachen zu probieren, zum Beispiel ohne Antibiotika trocken zu stellen. Die anonymisierten Daten anderer Höfe aus der Datenbank des FiBL mit unseren zu vergleichen, war sehr interessant für die Einordnung des eigenen Betriebs und als Motivation, besser zu werden.
Wo haben Sie noch mit dem FiBL zusammengearbeitet?
Wir waren im Lauf der Zeit an diversen Versuchen beteiligt. Als wir mit Tafeltrauben angefangen haben, hatten wir beispielsweise Beratung durch das FiBL und haben später bei einem Pflanzenschutz-Versuch mitgemacht. Wir haben in einem Versuch mitgemacht, bei dem geschaut wurde, ob das Tränken der Kälber mit Milch, die einen hohen Bakteriengehalt hat, dazu führt, dass die Tiere bereits in ihrer ersten Laktation Milch mit hoher Belastung von Keimen geben, die Euterentzündungen auslösen. Ergebnis war, dass dies keinen Einfluss hat, sondern das die Keimübertragung durch gegenseitiges Besaugen der Kälber stattfindet. Dann waren wir bei „Feed no Food“ dabei, wo es um die Reduktion von Kraftfutter ging. Die Begleitung im Projekt hat uns bestärkt, den Kraftfutteranteil immer weiter zu senken, seit acht Jahren ist er bei Null. Bei der Planung unserer Stallerweiterung hatten wir auch Unterstützung vom FiBL. Es sollte ein Stall werden, der für mutter- und ammengebundene Kälberaufzucht geeignet ist und da haben uns ein FiBL Merkblatt und persönliche Beratung geholfen.
Kam diese Umstellung auch durch ein FiBL Projekt?
Nein. Wir hatten grosse Probleme mit Kälberdurchfall und mussten schauen, wir das lösen können. Dadurch, dass die Kälber erst bei ihren Müttern und dann bei Ammen trinken dürfen, haben wir das in den Griff bekommen. Auch wirtschaftlich geht es auf, wegen der besseren Kälbergesundheit und da wir Arbeitszeit einsparen. Später haben wir bei einer Studie mitgemacht, bei der es um Tiergesundheit bei der mutter- und ammengebundenen Kälberaufzucht ging.
Sind Sie aktuell auch in FiBL Projekten involviert?
Unser Stier ist beim Projekt Bio-KB-Stiere (KB = künstliche Besamung, Anmerkung der Redaktion) dabei, wir züchten seit 20 Jahren Swiss Fleckvieh. Das ist ein tolles Projekt, denn die Eigenschaften der meisten KB-Stiere im bisherigen Angebot passen nicht zum Biolandbau. Zudem bin ich mit dem FiBL im Austausch zu minimaler Bodenbearbeitung. Und das FiBL kommt mit Studierenden der ZHAW jedes Jahr einen halben Tag auf unseren Betrieb.
Was motiviert Sie, mit dem FiBL zusammenzuarbeiten?
Ich konnte schon oft spüren, wie wichtig dem FiBL die Praxis ist, als Landwirt werde ich ernst genommen und kann Input geben. Auch die räumliche Nähe ist natürlich von Vorteil, unser Betrieb liegt nur fünf Kilometer vom FiBL in Frick entfernt. Um bei Versuchen mitzumachen braucht es sicher Neugier. Meistens gibt es keine Entschädigung, aber es entstehen auch keine Kosten. Ich finde den Zusatzaufwand nicht gewaltig gross und sehe einen grossen Nutzen darin, Einblicke in die Versuchsdaten und Resultate zu bekommen und so dazuzulernen.
Wenn Sie wählen dürften: Welche Forschungsfragen aus der Praxis hätten Sie gerne vom FiBL bearbeitet?
Das ist klar die Homöopathie im Pflanzenbau. Wir arbeiten in der Tierhaltung ja schon lange mit Homöopathie. Die Anwendung bei Pflanzen interessiert mich sehr und ich bin in einem Arbeitskreis zum Thema. Auf den beteiligten Betrieben wurde in unterschiedlichen Kulturen schon verschiedenes ausprobiert mit sehr positiven Wirkungen. Ich fände es toll, wenn sich das FiBL diesem Thema wissenschaftlich annehmen würde.
Gibt es Ihrerseits weitere Anliegen?
Ich finde grundsätzlich wichtig, die Weidehaltung zu stärken und sie wieder praxistauglicher zu machen. Ich würde mich freuen, wenn das FiBL auf diesem Gebiet mehr machen würde. Denn die Entwicklung geht auch im Biolandbau in eine andere Richtung.
Was wünschen Sie dem FiBL für die Zukunft?
Erstmal: Auf weitere erfolgreiche 50 Jahre! Und dann wünsche dem FiBL, dass es trotz des Wachstums praxisnah bleibt. Dass es die On-farm-Forschung auf jeden Fall beibehält und weiterhin Anliegen aus der Praxis aufnimmt.
Interview: Theresa Rebholz
Dies ist eine gekürzte und leicht angepasste Version eines Interviews, das in der Ausgabe 4/23 des Magazins Bioaktuell erschienen ist. Dieses ist als PDF verfügbar.
orgprints.org: Interview "Ich werde ernst genommen" aus dem Magazin Bioaktuell 4/23