Hansueli Dierauer ist – mit kurzer Unterbrechung – seit 1988 am FiBL tätig, hauptsächlich als Ackerbauberater. Das Magazin "Die Grüne" nannte ihn einmal den "Mister Ackerbau am FiBL". Von 2002 bis 2010 hat er die FiBL Beratung geleitet, von 2002 bis 2022 die Gruppe Anbautechnik Ackerbau.
1988 begannen Sie Ihre Arbeit am FiBL in Oberwil im Kanton Basel-Landschaft. Was war Ihre Aufgabe?
Ich übernahm ein Projekt zur Verbesserung der mechanischen Unkrautregulierung. Wir untersuchten in Weizen, wie sich verschiedene Reihenabstände sowie der Striegel allein und in Kombination mit Scharhacken auf die Bodenbedeckung und den Ertrag auswirken. Das Kerngeschäft des FiBL war der DOK-Versuch, der bereits seit 1978 lief. Ich selber habe aber nie im DOK-Langzeitversuch gearbeitet.
Wie sah es damals am FiBL aus?
Wir waren in einer alten Villa auf dem Bernhardsberg in Oberwil in Baselland einquartiert. Rund 20 Personen. Zu Füssen des Bernhardsbergs liegt eben der DOK-Versuch. Es gab damals nur die Forschung mit Schwerpunkt Pflanzenbau und die Beratung. 1993 gab es einen finanziellen Engpass. Ausgerechnet, als Coop Lizenznehmerin der Knospe (Label von Bio Suisse, dem Dachverband der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern, Anm. der Redaktion) wurde und der Aufschwung im Biolandbau begann. Ich ging für vier Jahre in die Privatwirtschaft und kehrte ans FiBL zurück als es gerade ins aargauische Frick umgezogen war.
Nun in welcher Funktion?
Als Bioberater Nordwestschweiz. Ich machte hauptsächlich Umstellberatungen und ein Nitratprojekt. Der Start in Frick erfolgte mit rund 60 Personen. Mit wachsender Grösse gab es verschiedene Gruppen mit drei bis zehn Mitarbeitenden, etwa zu Gemüsebau, Obstbau, Pflanzenschutz, Boden, Tiere, Ökonomie und internationaler Beratung. Die ersten zehn Jahre in Frick spezialisierte ich mich zusehends in verschiedenen Bereichen des Ackerbaus.
Seit 2008 ist die Ackerbaugruppe auf 12 Personen angewachsen. Dies, weil der Ackerbau im Biolandbau an Gewicht gewann?
In letzter Zeit sicher. Der Hauptgrund war aber, dass das BLW (Bundesamt für Landwirtschaft, Anm. der Redaktion) Doppelspurigkeiten in der Forschung vermeiden wollte, besonders im Ackerbau, wo Agroscope, die Forschungsanstalt des Bundes, stark ist. Also hat sich das FiBL auf Obst, Wein, Gemüse und später auf die Tierhaltung konzentriert. Im Ackerbau haben wir dafür die Beratung ausgebaut und mit einfachen Praxisversuchen angefangen, welche die Forschung nicht besonders interessierten. Hinzu kam, dass Bio Suisse zweckgebundenen Knospe-Ackerbaubeiträge einführte, die KABB. Für uns war das ein Quantensprung.
Ist das ein Grund für die enge Zusammenarbeit von FiBL und Bio Suisse im Ackerbau?
Ja, eindeutig. Nun konnten wir bei Bio Suisse Projekte eingeben. Wir bauten ein schweizweites Netzwerk für die On-Farm-Sortenversuche auf. Zuerst im Weizen. Dann half Bio Suisse beim Versuchsnetz für Kartoffeln.
Wer bestimmt, woran geforscht werden soll?
Die Fachgruppe von Bio Suisse setzt jährlich Prioritäten. Darin ist auch der Markt vertreten. Also weiss die Fachgruppe, welche Kulturen gesucht sind und wo es anbautechnische Probleme gibt. Bekannt ist beispielsweise der Mangel an Biozuckerrüben. Das FiBL kann Hand bieten, die Kultur zu entwickeln und wir sind daran, mit Forschungsprojekten die Anbauprobleme zu lösen.
Welches sind die Meilensteine im Schweizer Bioackerbau?
1993 war mit dem Eintritt von Coop ins Biogeschäft ein Schlüsseljahr. Bis dahin gab es kaum einen Markt für Bioackerkulturen. Kurz darauf verlangte auch die Migros nach Bioprodukten. Die Anzahl Biobetriebe wuchs entsprechend. Ein nächster Meilenstein war 1997. Mit der ersten Bioverordnung wurde der Biobegriff geschützt. Bei den Direktzahlungen gab es nun Biobeiträge. Als Grundlage dafür diente eben beispielsweise der DOK-Versuch.
Gibt es weitere Ackermeilensteine?
Ausschlaggebend war der "Journée de réflexion grandes cultures" 2004 mit allen wichtigen Playern im Biolandbau. Wir begannen, Programme zu entwickeln, welche Kulturen wie gefördert werden sollen Ein wichtiger Schritt war auch die erste Biooffensive. Sie löste vor allem in der Romandie viele Bioumstellungen aus. 2012 führten wir zusammen mit Sativa Rheinau und Bio Suisse den ersten Bio-Ackerbautag durch, in der Zwischenzeit fand er bereits acht Mal statt.
Was ist Ihnen das Wichtigste an der Arbeit am FiBL?
Die Einbindung der Bäuerinnen und Bauern ist mir eine Herzensangelegenheit. Ich war mir auch nie zu schade, die praktische Arbeit selbst zu tun. Ich habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich den Eindruck erhalte, die Forschung sei abgehoben. Wir können enorm viel von der Praxis lernen. Die Innovationen kommen meistens von dort und weniger aus der Forschung. Wir nehmen diese dankbar auf, begleiten, beurteilen und ordnen diese Ideen so gut es geht ein.
Was ist Ihr Wunsch für das FiBL der Zukunft?
Ich wünsche dem FiBL, dass es der praxisnahen Forschung Sorge trägt und die Praxisversuchsnetze in der Schweiz weiter ausbauen kann. Da sehe ich eine gewisse Gefahr der Distanzierung mit der zunehmenden Grösse des Instituts. Versuchsnetze müssen auch gepflegt und neue Ideen eingespeist werden. Das FiBL kann auch helfen, Lösungen für den Klimawandel und für die damit verbundene Zunahme der Schädlinge zu finden. Innovationen in der Anbautechnik sollten wichtiger bleiben als Ökobilanzen zu rechnen. Ausserdem wünsche ich mir natürlich, dass die Beratung weiter gestärkt wird.
Interview: Stephanie Fuchs
Dies ist eine gekürzte und leicht angepasste Version eines Interviews, das in der Ausgabe 2/23 des Magazins Bioaktuell erschienen ist. Dieses und eine Langversion des Interviews sind als pdf verfügbar (siehe unten).