Andreas Gattinger war von Februar 2010 bis März 2017 am FiBL Schweiz. Dort hat er das Themengebiet Klima und Biolandbau mitaufgebaut. Seit April 2017 hat er die Professur für Ökologischen Landbau mit dem Schwerpunkt nachhaltige Bodennutzung an der Justus-Liebig-Universität Gießen inne. Zudem ist er im Vorstand des FiBL Deutschland und im Wissenschaftlichen Beirat des Julius-Kühn-Instituts.
Wie kamen Sie zum FiBL?
Mit dem FiBL, vor allem mit den Kollegen Andreas Fliessbach und Paul Mäder, bin ich nunmehr seit fast 30 Jahren in fachlichem Austausch. Die ganze Sache kam jedoch im Jahr 2009 so richtig ins Rollen, als der damalige FiBL Direktor Urs Niggli mich zunächst als Berater für das anstehende Projekt in Abu Dhabi und kurze Zeit später als Themenleiter Klima angefragt hatte. Zu dieser Zeit war ich noch als Projektmanager bei dem Frankfurter Startup Geohumus International unterwegs und war mit der Mission, die arabische Wüste mit einem synthetischen Bodengranulat zu begrünen, gescheitert. Da kam mir das Jobangebot vom FiBL gerade recht. Ich konnte mir jedoch anfangs nicht vorstellen, wie das mit Familie und Hof in Selters/Deutschland funktionieren sollte. Das FiBL, allen voran Urs Niggli, bot mir eine Hybridlösung aus Präsenzarbeitszeit und Homeoffice an, das mir von vornerein zusagte.
Was waren die Höhepunkte Ihrer Arbeit am FiBL?
Mit meiner Anstellung war auch die Erwartung verbunden, bahnbrechende Projekte in Abu Dhabi und Saudi-Arabien umzusetzen. Dies hat sich aus vielerlei Gründen jedoch nicht bewahrheitet. Viel eher spürte ich von Beginn an etwas Anderes: Mit Beginn meiner Tätigkeiten im Spätwinter 2010, also nach dem "gescheiterten" Klimagipfel in Kopenhagen, war am FiBL und in der Bioszene eine Aufbruchsstimmung zu spüren. Diese war beflügelnd, im Rahmen des neu gestarteten Projekts CaLaS (Carbon Credits for Sustainable Landuse Systems) globale Meta-Studien zu den Klimawirkungen des Biolandbaus anzugehen. Und mit dem neu gegründeten International Round Table on Organic Agriculture and Climate Change (RTOACC) – dessen Sprecher ich von 2010 bis 2017 war – wichtige Akzente in der weltweiten Biobewegung zu setzen. Das ist uns gelungen, genauso wie es uns gelungen ist, zusammen mit Bio Suisse, dem Dachverband der Schweizer Biobäuerinnen und Biobauern, ab 2010 etliche Klimaworkshops, Studien und Merkblätter für die Praxis zu erstellen und früh die Schweizer Biobetriebe für das Thema Klimaschutz zu gewinnen. Ausserdem konnte ich während meiner Zeit vier Jungwissenschaftler*innen zur erfolgreichen Promotion im Themengebiet Boden und Klima verhelfen, von denen drei mittlerweile zum festen Wissenschaftspersonal des FiBL gehören. Am Ende der sieben Jahre FiBL stand auch eine erfreuliche Erfolgsbilanz von umgerechnet 5,9 Millionen Euro Drittmitteleinwerbungen und 24 begutachteten Publikationen. Zudem meine Berufung als Professor für Ökologischen Landbau an die Justus-Liebig-Universität Gießen. Diesen finalen Karriereschritt habe ich dem FiBL zu verdanken.
Was wünschen Sie dem FiBL?
Ich wünsche mir, dass das FiBL weiterhin als attraktiver und inspirierender, kulturell vielfältiger Arbeitsort und Think Tank agiert und so auch wahrgenommen wird. Wichtig ist dabei neben all den vielen Projekten auch genügend Freiräume zu haben für ein gutes Miteinander sowie für kritische Reflexionen, aus denen wieder Neues entsteht. Schön wäre auch, wenn das FiBL den Round Table on Organic Agriculture and Climate Change wieder neu beleben könnte, denn das Thema Klima ist aktueller denn je.