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"Die Natur hat unglaubliches Erholungsvermögen"

Stimmen zur Biodiversität

Véronique Chevillat ist Biologin und arbeitet seit fast 20 Jahren am FiBL Schweiz in der Gruppe Beratung & Bildung. Sie berät Bauern und Bäuerinnen, wie sie die Biodiversität auf ihrem Betrieb erhalten und erhöhen können und hat unter anderem den Lehrgang Biodiversitätsberatung mit ins Leben gerufen.

In der Schweiz ist der Zustand der Biodiversität besorgniserregend und bringt für alle Sektoren grosse Herausforderungen mit sich. Wir Beratungspersonen für Biodiversität in der Landwirtschaft können den Zustand der Biodiversität auf den Feldern ganz konkret erfassen. Denn viele Flächen erreichen auf dem Papier eine höhere ökologische Qualität als es draussen der Fall ist. Und manchmal ist es genau das Gegenteil und wir finden richtige Schätze!

Wenn ich auf einer extensiven Wiese eine seltene Orchidee finde, dann freut mich das enorm. Leider sind in den meisten Fällen nur noch ein, zwei Exemplare der Pflanze vorhanden. Um längerfristig überleben zu können, braucht eine Population jedoch zwischen 5'000 und 10'000 Individuen. Das ist nötig, um den genetischen Austausch zu sichern und Inzucht zu vermeiden. Aber wann habe ich das letzte Mal mehr als ein paar Bienen-Ragwurz oder Venus-Frauenspiegel an einem Standort gesehen? Mit dieser Frage wird der Rückgang der Biodiversität besser greifbar und die Herausforderungen werden konkreter.

Doch es lohnt sich, in solchen Fällen nicht aufzugeben, denn die Natur hat unglaubliches Erholungsvermögen, wenn man ihr gute Bedingungen schafft. So ist es möglich, zwei Exemplare einer seltenen Orchidee mit angepassten Bewirtschaftungsmassnahmen zu retten und zu vermehren. Konkret haben wir uns in einem solchen Fall zusammen mit dem Betriebsleitenden die Orchidee angeschaut. Sie hatten sie vorher noch nie gesehen und freuten sich über ihr Vorkommen. Wir überlegten zusammen: Was können sie tun, um die Orchideen zu retten und dass sie sich vermehrt? Sie entschieden sich, den Teil der Wiese mit den Orchideen später zu mähen, damit sie abblühen und sich versamen können. Im Jahr drauf fanden wir keine Orchideen mehr. Aber zwei Jahre später haben über 20 Exemplare geblüht. Wir haben uns alle enorm gefreut!

Biodiversität mit zielorientierten Massnahmen und kompetenter Beratung besser fördern

Die Landwirtschaft macht schon viel für die Biodiversität, aber das Aufwertungspotential ist noch sehr gross. Mehrere Projekte zeigen, dass mit spezifischen und gezielten Massnahmen der Biodiversitätsrückgang gebremst werden kann. Die grosse Herausforderung besteht darin, effektiver und zielorientierter zu handeln: Dafür ist es essentiell, in die Ausbildung und Information der Landwirtinnen und Landwirte zu investieren, denn nur was man kennt, kann man auch schützen. Zum anderen muss das Angebot an kompetenter und zielorientierter Biodiversitätsberatung ausgebaut werden, denn man kann nicht alles in der Schule lernen und sich selbst zu informieren braucht Zeit und Motivation.

Die Beratungspersonen müssen auf die Felder gehen können, denn nur so können sie die seltene Orchidee oder die invasive und unerwünschte Ambrosia sehen. Indem sie die Situation des ganzen Betriebs berücksichtigen und Herausforderungen der Landwirtschaft kennen, können sie Massnahmen empfehlen, die sich gut im Arbeitsablauf einbetten lassen, die Produktion unterstützen und ergänzen und langfristig anwendbar sind. Der starre Rahmen der DZV-Anforderungen (DZV = Direktzahlungsverordnung) verhindert manchmal die Umsetzung. Um gezielte und wirksame Massnahmen zu ermöglichen, sollte das System daher flexibler werden und auch Massnahmen ausserhalb des Rahmens der DZV-Anforderungen zulassen.

Wie mit Biodiversitätsberatung und zielorientierter Biodiversitätsförderung, die den Landwirtschaftsbetrieben mehr Flexibilität bietet, diese Ziele erreicht und die Landwirtinnen und Landwirte motiviert werden können, darüber berichten Pascale Cornuz und Rebekka Frick vom FiBL Schweiz in ihren "Stimmen zur Biodiversität".

Im Handeln gegen den Rückgang der Biodiversität stehen die Landwirtschaftsbetrieb an erster Stelle und haben einen direkten Einfluss auf das Geschehen vor Ort. Sie sind aber vom System abhängig und tun oft das Beste, was sie können, nach bestem Wissen und Gewissen und mit den Mitteln und Kenntnissen, die ihnen zur Verfügung stehen. Damit es ihnen gelingt, die Biodiversität zu fördern, brauchen sie die Anerkennung und Unterstützung von allen.

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Véronique Chevillat

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