Im Rahmen der Dissertation von Johanna Probst wurden zwei Versuche durchgeführt, die ein positives Training von Tieren aus der Mutterkuhhaltung beinhalteten. In einem Versuch wurden die Auswirkungen von positiven Behandlungen mit der TTouch®-Methode an neugeborenen Kälbern untersucht, in einem weiteren Versuch wurde der Effekt einer solchen Behandlung an ca. zweijährigen Tieren aus der Mutterkuhhaltung kurz vor dem Schlachttermin getestet. Um zu überprüfen, wie sich diese Behandlung auf das Verhalten der Tiere während ihrer Zeit auf dem Betrieb und auf dem Schlachthof auswirkte, wurden kontinuierlich Verhaltenstests und Beobachtungen durchgeführt. Ausserdem wurden den Tieren Blutproben während der Schlachtung entnommen, um Rückschlüsse auf die physiologische Belastung der Tiere kurz vor der Schlachtung ziehen zu können. Zusätzlich wurden von jedem Schlachtkörper Fleischproben
entnommen und nach standardisierten Verfahren hinsichtlich der Fleischqualität analysiert. Um die gewonnenen Ergebnisse realistisch einordnen zu können, wurden in einem dritten Projektteil am selben Schlachthof an einem Arbeitstag Blutproben von 200 dort geschlachteten Tieren gesammelt und ausgewertet, sowie dieselben Verhaltensparameter kurz vor der Schlachtung erfasst.
Der Tag der Schlachtung ist für Rinder und die am Schlachthof beschäftigten Menschen meist mit belastenden Situationen verbunden, was auf verschiedenste Gründe zurückzuführen ist: Besonders für Tiere, die mit wenig Kontakt zu Menschen aufgewachsen sind, ist der Schlachttag eine unbekannte und stressauslösende Situation. Rinder, die durch diese Umstände belastet sind, sind einerseits ein Tierschutzproblem und andererseits führt dieses stressbedingte Verhalten zu schwieriger zu handhabenden Tieren. Dies ist für die Tiere selbst, sowie für die mit ihnen arbeitenden Menschen gefähr-lich und kann durch den dadurch entstehenden Stress sogar zu verminderter Produktivität führen.
Ein Hauptziel dieser Arbeit war es, herauszufinden ob eine verbesserte Mensch-Tier-Beziehung, durch ein positives Handling, basierend auf der TTouch® Methode, zu verminderten stressanzeigenden Reaktionen führt. Um die Tiere positiv an direkten menschlichen Kontakt zu gewöhnen und dadurch physiologischen Stress und stressanzeigendes Verhalten am Tag der Schlachtung zu vermindern, waren aus unserer Sicht zwei Zeitpunkte im Leben der Tiere sinnvoll: Einerseits eine Durchführung des positiven Handlings an jungen Kälbern innerhalb des ersten Lebensmonates (post-partum), weil die Kälber zu diesem Zeitpunkt noch wenig negative Erfahrungen mit Menschen gemacht haben, und andererseits an Masttieren innerhalb von fünf Wochen vor der Schlachtung (pre-slaughter), um das positive Handling auf einen relativ kurzen Zeitraum vor dem belastenden Schlachttag zu konzentrieren. Im ersten Teil der Studie wurden die Auswirkungen eines post-partum angewandten positiven Handlings an Kälbern auf ihr Ausweichverhalten gegenüber Menschen, auf Stress anzeigende Blutparameter, sowie auf Fleischqualitätsmerkmale untersucht. Die 27 Mutterkuhkälber wurden in eine Behandlungs- oder eine Kontrollgruppe eingeteilt und die positiven Behandlungen wurden innerhalb des ersten Lebensmonates (post-partum) durchgeführt. Ausweichdistanztests (ADT) fanden sechsmal pro Kalb statt und am Schlachthof, während die Tiere in der Betäubungsbox fixiert waren, wurde deren Verhalten erfasst. Stichblutproben wurden hinsichtlich der Konzentrationen an Cortisol, Glukose und Laktat analysiert. Ebenso wurden an Fleischproben von jedem Schlachtkörper Garverluste, Fleischfarbe und Scherkraft gemessen. Die Ausweichdistanzen waren bei behandelten Tieren geringer als bei Kontrolltieren. Behandelte Tiere zeigten bei den Verhaltensbeobachtungen in der Betäubungsbox vermindertes Ausweichverhalten und tendenziell geringere Cortisolkonzentrationen. Ausserdem waren sie weniger reaktiv gegenüber Menschen und zeigten selbst neun Monate nach den Behandlungen weniger stressanzeigendes Verhalten am Schlachthof.
Im zweiten Teil der Studie wurden die Effekte eines positiven Handlings auf Mastrinder auf ihr Ausweichverhalten gegenüber Menschen und die stressanzeigenden Blut- und Fleischqualitätsparameter (s.o.), untersucht. Insgesamt 26 Mastrinder wurden innerhalb der drei Experimente in eine Behandlungs- oder eine Kontrollgruppe eingeteilt. Dazu wurden drei Experimente durchgeführt, wobei die positiven Behandlungen fünf Wochen vor dem Schlachttermin (pre-slaughter) begannen und innerhalb der folgenden fünf Wochen in Experiment 1 (Limousin-Kreuzungsbullen) und Experiment 2 (Pie-montese-Kreuzungstiere) einmal wöchentlich und in Experiment 3 (Limousin-Kreuzungstiere), zweimal wöchentlich wiederholt wurden. Zwei ADTs wurden mit allen Tieren, einmal bevor das Handling begann und einmal zwei Tage vor der Schlachtung durchgeführt. In allen drei Experimenten wurden ebenfalls Blutproben hinsichtlich der Konzentrationen an Cortisol, Glukose und Laktat analysiert und Fleischproben bezüglich Garverlust, Fleischfarbe und Scherkraft untersucht. Beim zweiten ADT wurden bei den behandelten Tieren geringere Ausweichdistanzen gemessen. Die Cortisol- und Glukose-konzentrationen wiesen keine Gruppenunterschiede auf, jedoch wurden tendenziell geringere Laktatwerte bei behandelten Tieren nachgewiesen. Bei den Fleischqualitätsuntersuchungen wurden keine Behandlungseffekte gefunden. Allerdings zeigten sich bei den Scherkraft- und Garverlustmessungen grosse Unterschiede zwischen den Experimenten. Ein positives Handling, durchgeführt fünf Wochen vor der Schlachtung führte zu abnehmenden Ausweichdis-tanzen und einer geringen Reduzierung der Laktatkonzentrationen im Stichblut.
Aus diesem Kontext heraus, und um die Daten der vorangegange-nen Versuche hinsichtlich der Blutparameter einordnen zu können, wurde der Fokus auf eine eintägige Datenanalyse an einem kommerziellen Schlachthofs gelegt. Von 192 Schlachtrindern wurden allgemein vorhandene Tierdaten (Geschlecht, Rasse, Schlachtkörpergewicht) sowie Verhaltens- und physiologisch bedingte, stress-anzeigende Parameter analysiert. Erfasst wurden: Geschlechter- und Rassekategorien, Schlachtkörpergewichte, Antriebe mit dem Elektroviehtreiber sowie die Aufenthaltsdauer der Tiere in der Betäubungsbox. Die Vokalisationen der Tiere wurden als Maß für verhaltensrelevante Belastungsreaktionen erfasst. Stichblutproben wurden hinsichtlich Cortisol-, Glukose- und Laktatkonzentrationen als Wert für die physiologische Stressantwort analysiert. Insgesamt wurden 13 % aller beobachteten Tiere als vokalisierend erfasst, wobei Färsen dabei tendenziell öfter vokalisierten als ihre männlichen Artgenossen. Mit dem elektrischen Viehtreiber wurden 73.5 % der Tiere angetrieben und durchschnittlich dauerte der Aufenthalt der Tiere in der Betäubungsbox 26 sec. Die Cortisolkonzentrationen waren im Blut der Bullen geringer als im Blut von Färsen und Ochsen. Konzentrationen über 90 ng Cortisol/ml wurden bei Bullen nicht gemessen, jedoch bei Färsen und Ochsen. Laktat- und Glukosekonzentrationen wurden nicht durch das Geschlecht beeinflusst. Ebenso hatten die drei Rassenkategorien keinen Einfluss auf die analysierten stressanzeigenden Parameter. Es konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei zugewiesenen Kategorien für die Antriebe mit dem Elektroviehtreiber bezüglich der Konzentrationen an Glukose, Laktat und Cortisol und bezüglich der Anzahl an vokali-sierenden Tieren gezeigt werden. Ein längerer Aufenthalt der Tiere in der Betäubungsbox führte zu ansteigenden Cortisolwerten, hatte aber weder Einfluss auf Glukose und Laktat, noch auf das Vokalisa-tionsauftreten. Tendenziell wurde vermehrtes Vokalisieren bei Tieren mit höheren Laktatwerten gemessen. Die stressbedingten Parameter waren im Vergleich zur Literatur hoch; es war jedoch nicht möglich, sie eindeutig den erhobenen Faktoren zuzuordnen. Bei Untersuchungen auf dem Schlachthof sollte jeweils die unterschiedliche Stressreaktivität männlicher und weiblicher Tiere berücksichtigt werden.
Ein positives Handling kann die Mensch-Tier Beziehung nachhaltig verbessern, sodass die die Tiere dadurch weniger stressanzeigendes Verhalten, sowie verminderte stressanzeigende physiologische Parameter während belastenden Situationen zeigen. Die stärksten Effekte wurden innerhalb der ersten Untersuchung an behandelten Kälbern gemessen, jedoch auch, bei den kurz vor der Schlachtung behandelten Mastrindern wurden positive Effekte sichtbar. Die dritte Studie zeigte, dass der Schlachttag eine stark belastende Situation für die Tiere ist. Weitaus mehr Tiere zeigten Vokalisationen, als es von der Literatur als akzeptabel beschrieben wird und das Geschlecht der Tiere hatte einen Einfluss auf stressanzeigende Parameter. Die erhobenen Variablen konnten jedoch nicht direkt den erfassten Stressoren, wie z.B. dem Einsatz des Elektroviehtreibers zugeordnet werden. Zusätzliche Faktoren wie die Herkunft und die individuellen Erfahrungen der Tiere sollten in zukünftigen Studien miteinbezogen werden um die belastende Situation am Schlachttag im Ganzen erfassen zu können.
Koordination, Durchführung, Publikation