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"Es bringt Freude und rentiert sich finanziell"

Stimmen zur Biodiversität

Thomas Baumann bewirtschaftet den Biohof Galegge in der Gemeinde Suhr im Kanton Aargau, einen 39-Hektaren-Pachtbetrieb. Der ETH-Agronom setzt sich nicht nur auf dem Hof, sondern auch im Gemeinderat von Suhr für Natur- und Umweltschutz ein. Daneben ist er als Projektleiter Naturförderung am Naturama in Aarau tätig. Bei der Umsetzung des Labiola-Programms, das seit 1991 die Biodiversität im Aargau fördert, war er von Anfang an dabei.

Was tun Sie als Landwirt für die Biodiversität?

Biodiversität ist bei uns einer von vier Betriebszweigen. Ein auch wirtschaftlich erfolgreicher, wie die Buchhalterin mir kürzlich wieder versichert hat. Aber das geht nur, weil ich die Biodiversitätsflächen rationell, mit angepasstem Aufwand bewirtschafte, um die erwünschten Biodiversitätsziele zu erreichen. Wichtig ist wegen den Förderbeiträgen des Bundes die Qualitätsstufe II für die Biodiversitätsflächen zu erreichen.

Wie sieht das konkret aus?

Von unseren Wiesenflächen in Hanglage sind die meisten Biodiversitätsflächen. Da ich im Verhältnis zur Landfläche einen geringen Tierbestand habe, verkaufe ich den ersten Schnitt als Pferdeheu, das gehaltvolle Emd nehme ich dann als Futter für die Milchziegen. Dort wo Ackerbau möglich ist, baue ich auf rund 80 Prozent der Fläche Nahrungsmittel an. Alle unförmigen Fruchtfolgeflächen habe ich als Biodiversitätsflächen angelegt. So sind die intensiven Ackerbauflächen schön rechteckig, ich kann effizient arbeiten. Ich spare Wendemanöver, Zeit und Diesel und habe einen Anteil von etwa 15 bis 20 Prozent wertvolle Biodiversitätsflächen im Ackerland.

Warum tun Sie das?

Weil es Freude bringt, und weil es sich finanziell rentiert. Ich erhalte viel Lob, Goodwill und Bestätigung aus der Bevölkerung, die unsere Flächen auch als Naherholungsgebiet schätzt.

Wie kann man die Freude an der Biodiversität in der Bevölkerung wecken?

Indem sie erlebbar wird. Beim Spazieren kann man hier die Kreuzkröten rufen, die Grillen zirpen und die Goldammern singen hören. Man kann sich in den Schatten einer Hecke legen und den Turmfalken beim Rütteln zusehen.

Jede Fläche, die für Biodiversität genutzt wird, geht der Lebensmittelproduktion verloren. Wie sehen Sie das?

Wir haben gar kein Flächenproblem. Heute wird in der Schweiz 70 Prozent der Fläche für die Fleischproduktion genutzt. Auch wenn ein grosser Anteil davon Dauergrünland ist, ist das immer noch viel. Würde sich der Ackerbau mehr an der Nahrungsmittelpyramide ausrichten, passieren zwei Dinge: Wir erhöhen den Anteil der inländischen Lebensmittelproduktion und mehr Fläche für Biodiversität wird frei.

Sehen Sie die Landwirtschaft als wichtigen Hebel, um die Biodiversität zu stärken?

Ja, und genauso wichtig sind die Waldwirtschaft und die Siedlungsgebiete wie zum Beispiel Industriezentren, Einfamilienhausquartiere oder öffentliche Areale.

Wie engagieren Sie sich als Gemeinderat von Suhr für die Biodiversität?

Alle Landwirtschaftsbetriebe von Suhr konnten erfolgreich animiert werden, beim Labiola-Programm mitzumachen, das seit über 30 Jahren die Biodiversität im Aargau fördert. Im öffentlichen Raum der Siedlungsgebiete konnten wir Flächen entsiegeln, Bäume pflanzen und Ruderalflächen anlegen. Die kommunale Baukommission berät im Dialog Bauherrinnen und Bauherren. Dabei kommt meist eine qualitative Verbesserung des Aussenraumes mit zusätzlicher Biodiversität zustande.

Und was tun Sie für das Waldgebiet?

Dort kann ich wenig bewirken. Der Wald gehört in Suhr den Ortsbürgerinnen und -bürgern und die haben ihre eigene Vorstellung was «Wald» ist. Ein Grossteil der Bevölkerung geht fälschlicherweise davon aus, Wald sei gleich hochwertige Natur. Dem ist aber nicht so. Wir haben eine intensive Holzwirtschaft auf oft drainierten Flächen. Im Waldareal wäre mit lichten Wäldern, Feuchtstandorten, Waldweiden oder Altholzinseln noch viel mehr möglich in Sachen Biodiversität.  

Die Biodiversitätsinitiative, über die am 22. September in der Schweiz abgestimmt wird, wird nicht von allen Biobäuerinnen und -bauern befürwortet. Woran liegt es?

Ich stelle fest, dass Biodiversität im Biolandbau lange Zeit wenig Beachtung fand. In der Entwicklung des Biolandbaus wurde das Schwergewicht auf einen Anbau gelegt, der frei von chemisch-synthetischen Betriebsmitteln ist. Man war der Ansicht der Biodiversität gehe es automatisch gut auf einem Biobetrieb. Dem ist aber nicht so: Mit der verbesserten Bewirtschaftung und der Ertragssteigerung auch im Biolandbau verschwanden viele Tier- und Pflanzenarten wie Feldlerche, Kornblume oder Kreuzkröte von den Bioflächen. Das Bewusstsein dafür hinkt der realen Entwicklung hinterher. Das könnte der Grund dafür sein, dass auch Biobäuerinnen und -bauern der Ansicht sind, die Biodiversitätsinitiative brauche es nicht.

Ich habe gehört, dass sich viele Landwirtinnen und Landwirte aus Angst vor Diffamierungen nicht trauen, sich für die Biodiversität einzusetzen. Stimmt das? 

Ja, das bekomme ich immer wieder zu hören.

Interview: Franziska Hämmerli, FiBL

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