In den letzten Jahren haben internationale Studien über einen alarmierenden Rückgang von Insektenpopulationen berichtet. Der Verlust der Vielfalt und Häufigkeit von Insekten kann negative Auswirkungen auf verschiedene Funktionen der Ökosysteme haben, da Insekten eine zentrale Rolle als Bestäuber, räuberische Nützlinge und Parasitoide von Schädlingen sowie als Pflanzenfresser spielen. Dazu sind sie eine wichtige Nahrungsquelle für viele andere Tiere.
Umweltveränderungen in der Agrarlandschaft wirken sich potentiell stark auf Insekten aus. Das FiBL untersucht daher wichtige Nützlinge in unterschiedlichen Anbausystemen und vergleicht Daten von vor 25 Jahren mit der heutigen Situation.
In einer gemeinsamen Initiative der Forschungsinstitute Agroscope, Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), Vogelwarte Sempach und info fauna (CSCF) werden die gesammelten Langzeitdaten aus verschiedenen Lebensräumen schliesslich genutzt, um Rückschlüsse über den Zustand und die Veränderungen der Insektenpopulationen in der Schweiz zu gewinnen und die wichtigsten Gefährdungsfaktoren nennen zu können.
Umweltveränderungen - speziell auch in der Agrarlandschaft - wirken sich potenziell stark auf die Artenvielfalt und Biomasse der Insekten aus. Entsprechende Untersuchungen über die Langzeitentwicklung von Insektenartengemeinschaften sind aber selten und für die Schweiz spezifisch liegen momentan keine konkreten Daten für das Agrarland vor.
Der Verlust der Artenvielfalt, Häufigkeit und Biomasse von Insekten hat negative Auswirkungen auf verschiedene Funktionen der Ökosysteme, da Insekten eine zentrale Rolle als Bestäuber, räuberische Nützlinge und Parasitoide von Schädlingen sowie als Pflanzenfresser spielen. Dazu sind sie eine wichtige Nahrungsquelle nicht nur für diverse Gliedertiere, sondern auch für Wirbeltiere wie Vögel, Säugetiere, Reptilien und Amphibien.
Habel et al. (2016) stellten in Bayern (D) bei den Schmetterlingen fest, dass die Anzahl der Arten von 1840 (117 Arten) bis 2013 (71 Arten) deutlich zurückging. Der Anteil der Lebensraum-Spezialisten ist gesunken, die meisten davon sind derzeit gefährdet. Der Anteil der Lebensraum-Generalisten ist dagegen gestiegen. Diese Entwicklung widerspiegelt den Rückgang und die Monotonisierung diverser Lebensräume. Hallmann et al. (2017) stellten an 63 verschiedenen Standorten in Deutschland einen Rückgang der Biomasse fliegender Insekten um 76 % zwischen 1989 und 2016 fest. Des Weiteren haben Hallmann et al. (2018) für Laufkäfer in zwei niederländischen Untersuchungsgebieten in den letzten 27 Jahren einen jährlichen Rückgang der Laufkäfer-Individuenzahlen im Bereich von 5 % bei fliegenden Laufkäfern (Erfassungsmethode Lichtfang) und 4.3 % bei auf der Bodenoberfläche aktiven Laufkäfern (Erfassungsmethode Bodenfallen) festgestellt. Ihre Ergebnisse zeigten auch, dass eine Verringerung der Biomasse von Laufkäfern von mindestens 42 % über einen Zeitraum von 27 Jahren stattgefunden hat.
Eine neue Studie der Technischen Universität München (Seibold et al., 2019) bestätigte auf eindrückliche Weise bereits vorliegende Erkenntnisse. Insgesamt analysierten die Wissenschaftler Daten in Brandenburg, Thüringen und Baden-Württemberg von mehr als einer Million Insekten, die zu mehr als 2700 Arten gehörten. Sowohl im Grünland als auch in Wäldern ging die Artenzahl von 2008 bis 2017 um etwa ein Drittel zurück. Die Biomasse nahm besonders ausgeprägt ab, um 67 % in Graslandschaften und 40 % in Wäldern.
Guyot et al. (2018) stellten für die Schweiz zwar fest, dass es zahlreiche Publikationen zur Insektendiversität gibt. Die nationalen Roten Listen zeigen beispielsweise, dass in der Schweiz über 35 % der Insektenarten bedroht sind (BAFU). Die Daten erlauben aber keine Aussage über die Verluste an Individuenzahl und Biomasse. Besonders dramatisch ist die Situation für Insekten in Landwirtschaftsgebieten. Die intensive Landnutzung mit ihrem grossen Einsatz von Pestiziden und Düngern, die fehlenden Strukturen in der Landschaft, die Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung und die Lichtverschmutzung gelten als Hauptverursacher für den Rückgang an Insekten (BAFU).
Um den Insektenschwund aufzuhalten und die damit verbundenen Auswirkungen möglichst gering zu halten, ist es nun besonders dringlich, die bekannten Ursachen für den Rückgang anzugehen. Da die intensive Bewirtschaftung von landwirtschaftlich genutzten Flächen mit einem hohen Einsatz an Pestiziden und Kunstdünger einhergeht, ist es wichtig zu prüfen, wie gross die Unterschiede zwischen Biolandbau (ohne Kunstdünger und synthetische Pestizide) und anderen produktionsintensiven Anbaumethoden sind. Dafür können historische Daten über die Vielfalt, Abundanz sowie Biomasse der Insekten in Abhängigkeit von unterschiedlichen Anbauintensitäten aus bereits durchgeführten Untersuchungen genutzt werden. Diese Untersuchungen können standardisiert wiederholt werden, um die neuen mit den historischen Daten zu vergleichen. Neben Vergleichen von Arten- und Individuenzahlen kann auch die Biomasse aus historischen Daten nachträglich pro Art berechnet werden.
In einem FiBL Projekt wurden von 1996 bis 1998 in 24 Getreidefeldern auf zwölf landwirtschaftlichen Betrieben in der Nordwestschweiz (Leymental und Oberbaselbiet) die Biodiversität und Biomasse von wichtigen Nützlingen – den Lauf- und Kurzflügelkäfern sowie den Spinnen – untersucht (Pfiffner & Luka, 2003) . Die Untersuchungen zu diesen repräsentativen Bioindikatoren wurden auf sechs Bio Suisse-Betrieben sowie auf sechs IP Suisse-Betrieben durchgeführt. Diese historischen Daten ermöglichen nun einen Vergleich über die Zeit. Dafür werden von 2022 bis 2024 standardisierte Fänge, wo möglich an denselben Standorten wie von 1996 bis 1998, durchgeführt. Zum besseren Verständnis der Langzeitauswirkungen der Landwirtschaft auf die Biodiversität werden zudem Daten aus naturnahen Lebensräumen (extensives Grünland und Hecken) in der Nachbarschaft der Getreidefelder verglichen. In jüngster Zeit stehen der Einsatz und eine mögliche Reduktion von Pflanzenschutzmitteln im Fokus (vgl. Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln). Daher wird der Einfluss der verschieden intensiven IP- und Bio-Anbausysteme auf die Biodiversität mit Daten von sechs konventionellen Betrieben (ÖLN: ökologischer Leistungsnachweis) von 2022 bis 2024 als Referenz charakterisiert. Die gewonnen Daten ermöglichen somit eine Beurteilung der Biodiversität in Abhängigkeit verschieden intensiver Anbausysteme.
Mit den Forschungsinstituten Agroscope, WSL (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft), der Vogelwarte Sempach und info fauna (CSCF) besteht eine enge Zusammenarbeit in der Thematik. Das vorhandene Wissen der beteiligten Institutionen wird gebündelt. Datenbanken und Probenarchive mit historischen und aktuellen Daten werden erschlossen und mit modernen statistischen Methoden auf die Fragestellung hin ausgewertet. So werden gemeinsam und interdisziplinär Lösungsvorschläge erarbeitet, damit Ökosystemleistungen und Biodiversität erhalten werden können. Die erarbeiteten Daten zur Langzeitentwicklung von Insekten zeigen die Dringlichkeit zu deren Schutz auf und liefern Entscheidungsträger*innen in Politik und Wirtschaft die Grundlage entsprechende Aktionen einzuleiten.
Literatur