Um solche Fragen zu beantworten und noch weitere Einblicke zu geben, fand am 8. Und 9. September in Zürich die Veranstaltung "Science in the Garden" statt. Der kleine Rundgang in einem Zürcher Stadtgarten ist Teil des Projekts Bettergardens, einer Kooperation zwischen dem FiBL Schweiz und der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). An drei Stationen erklärten wissenschaftliche Mitarbeiter des Projekts den Facettenreichtum der Stadtgärten.
Erdklumpen rollen hilft Boden bestimmen
Es ist 19 Uhr am Dienstagabend. Zehn konzentrierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer stehen im Halbkreis in einem Stadtgarten in Zürich an der ersten von drei Stationen der Veranstaltung "Science in the Garden". Reihum bekommen sie einen kleinen Erdklumpen in die Hand. "Versuchen Sie, den Boden zwischen den Fingern zu rollen. Wenn das gut geht und sie eine kleine "Wurst" in der Hand halten, wissen Sie schon einmal: Mein Boden ist sehr tonhaltig.", erklärt FiBL-Doktorand Simon Tresch. Er ist Mitarbeiter am Teilprojekt Bodenqualität von "Bettergardens", das sich mit den Auswirkungen vom Gärtnern auf Bodenparameter beschäftigt.
Die konzentriert dreinblickenden Gäste rollen inzwischen eine kleine Erd-Wurst und nicken zustimmend. Ein Teil von ihnen bewirtschaftet selbst einen Garten in der Nähe, sie kennen den lehmigen Unterboden nur zu gut. Er ist oft störrisch, schwer umzugraben. Aber mit den richtigen Ideen ist der Boden auch neben dem Gärtnern wertvoll. "Mit meinen Kindern habe ich früher oft aus dem Lehmboden kleine Figuren geknetet, die halten heute noch!", berichtete eine Teilnehmerin stolz. Das Stück Boden, das sie soeben geformt haben, stammt von zwei frisch ausgegrabenen Bodenprofilen aus der Gartenanlage. Anhand der Bodenprofile wird schnell deutlich, dass der Garten keinesfalls ein Stück "unberührte Natur" ist. Besonders im Oberboden finden sich häufig anthropogene, also vom Menschen stammende Spuren wie Ziegelstückchen oder Glasscherben.
Laufkäfer gegen Schnecken
An der zweiten Station stehen bereits Schautafeln mit kleinen, präparierten Insekten bereit. Marco Moretti von der WSL ist Leiter des Teilprojekts, welches die Auswirkungen auf die Biodiversität erforscht. Es geht konkret um Ökosystemprozesse und die Interaktionen von Pflanzen, Insekten und Boden. Aber was hat das Ganze mit Stadtgärten zu tun? In insgesamt 80 Privat- und Familiengärten der Stadt Zürich untersucht Moretti mit David Frey, einem PhD Student und Mitarbeitern für "Bettergardens" die Vielfalt der Pflanzen und Tiere. Das Ziel sind Strategien, um die Biodiversität in Städten weiter zu fördern und die Stadtbewohner für das Thema zu sensibilisieren.
Ein erster Schritt in diese Richtung ist die heutige Veranstaltung. Deswegen zeigt Marco Moretti an anschaulichen Beispielen, welche Insekten im Garten besonders nützlich sind und den Gärtner bei der Schädlingsbekämpfung eifrig unterstützen. Ein Beispiel hierfür sind bestimmte grosse Laufkäferarten. Sie sind zwischen 20 und 45 Millimeter gross und gehen gegen Raupen, Kartoffelkäfer und kleinere Schnecken vor. Im Biolandbau werden sie aus diesen Gründen oft gezielt in Gewächshäusern ausgesetzt.
Bevor es anschliessend zum dritten und letzten Teil des heutigen Rundgangs geht, steht für alle eine kleine Erfrischung bereit. Bei Crackern und biodynamisch produziertem Apfelmost aus der Region können sich Gäste und Referenten austauschen. Simon Tresch weist währenddessen noch auf eine aktuelle Studie hin: Das Teebeutel-Projekt. In Züricher Gärten sollen im Laufe der kommenden Monate Teebeutel vergraben werden, die dann für 90 Tage in der Erde verbleiben und dort von den Mikroorganismen des Bodens abgebaute werden. Nach Ablauf der Zeit schicken die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Studie die Teebeutel zurück an den FiBL-Doktoranden, der sie dann untersucht und die Ergebnisse auswertet. Diese Methode klingt sehr aussergewöhnlich, ist aber durchaus aussagekräftig, betont Tresch. "Der Teebeutel-Index ist eine wissenschaftlich fundierte Methode, mit welcher man Abbauprozesse im Boden messen kann. Das Ziel ist möglichst viele Messungen von urbanen Grünflächen zu erhalten um den wichtigen Ökosystemservice Abbau von organischem Material besser zu begreifen."
Naturnahe Gärten steigern das Wohlbefinden
Inzwischen senkt sich langsam die Dunkelheit über die Zürcher Familiengärten herab und kleine Öllampen erhellen die Beete, zwischen denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Station der Sozio-Ökonomie gehen. Dort greift FiBL-Forscher Robert Home das Problem der Entscheidungsfindung auf. Der Leiter des Teilprojekts "Entscheidungsfaktoren für Gärtnerinnen und Gärtner" hat hierfür bereits drei laminierte Bilder auf dem Boden ausgelegt. Alle drei zeigen die gleiche Perspektive auf einen Wohnkomplex mit Grünfläche, die jedoch auf jeder Abbildung unterschiedlich gestaltet wurde. Einmal sehr akribisch und naturfern, mit piekfein gemähtem Rasen, kaum Bäumen und Betonwegen, die durch den Garten führen.
Auf dem zweiten Bild steht das Gras schon etwas höher, vereinzelt gibt es auch ein paar Sträucher und Hecken. Auf dem letzten Bild ist der Garten eher verwildert mit hoch gewachsenem Gestrüpp, Blumen, Gräsern und vielen schattenspendenden Bäumen. Home erklärt den Anwesenden, dass diese Abbildungen Teil einer Studie waren. Bewohnerinnen und Bewohner von Grossstädten wurden befragt, welche dieser Grünflächen-Gestaltungen ihnen am ehesten zusagt. Das Ergebnis war nicht überraschend: Die Mehrheit der Befragten wählte den eher verwilderten Garten aus. Das zeigt, wie sich Natur und Gärtnern auf den Einzelnen und die Einzelne auswirken.
Die Menschen wünschen sich naturnahe Gärten und Parks, weil sie sich darin wohl fühlen und so die Gesundheit fördern. Beim Ackern und Pflanzen in der Natur lernt man neue Menschen kennen. Stress wird abgebaut und die Ernte der von Obst und Gemüse birgt ein Erfolgsgefühl, ganz zu schweigen vom hervorragenden Geschmack der eigenen Produkte. Andererseits sehen die Wohngebiete oftmals ganz anders aus, eben wie das erste der gezeigten Bilder. Somit steht die Präferenz der Stadtbewohnerinnen und -bewohner im starken Kontrast zur Realität der Bauplanung, betonte Home.
Um die positiven Auswirkungen von Gärten in den Vordergrund zu rücken, wird das Projekt "Bettergardens" noch bis Dezember 2017 in Bern, Zürich und Lausanne fortgeführt. Neben Familien- und Kleingärten werden auch private und alternative Gärten untersucht, z.B. Flächen, die von Gemeinschaften kultiviert werden. Ziel des Projekts ist die Erarbeitung von Argumenten für die Erhaltung der städtischen Grünflächen und Familiengärten. "Bettergardens" wird vom Schweizer Familiengärten-Verband unterstützt und vom Schweizer Nationalfonds finanziert.
Text: Olga Milena Ragazzo
Weitere Informationen
Kontakt
Simon Tresch
Weitere Veranstaltungen im Rahmen von "Zürich isst":
- Qualität von Lebensmitteln: Ist Bio besser? (Vortrag zusammen mit Bio Suisse)
18. September 2015, 19 – 20.30 Uhr, PHZH, Lagerstrasse 2, 8090 Zürich
Wir präsentieren eine Übersicht von Studien zur Qualität biologischer Lebensmittel. Mit einer Degustation versuchen wir geschmackliche Unterschiede zu finden. - Ernährungssysteme in Städten
23. September 2015 19.30 – 21.30 Uhr, Stadtgärtnerei, Sackzelg 27, 8047 Zürich
Lebensmittelversorgung und Ernährung werden zum Handlungsfeld von Städten – insbesondere das Thema Nachhaltigkeit. Referate, anschliessend Diskussion.
Links
- bettergardens.ch: Homepage BetterGardens: Bodenqualität, Biodiversität und sozialer Wert von Stadtgärten
- zuerich-isst.ch: Homepage Zürich isst